Die Landtagswahl in Sachsen stellt die Weichen für die weitere Energiepolitik. In ihren Wahlprogrammen setzen sich die Parteien unterschiedlich stark für Klimaschutz und erneuerbare Energien ein. Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit werden wichtiger. Die AfD spielt eine Sonderrolle.
Am 1. September 2024 wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Damit entscheiden die Wählerinnen und Wähler auch über die weitere Energiepolitik im Freistaat. Als aussichtsreichste Parteien gelten bisher AfD und CDU. Drittstärkste Partei könnte das Bündnis Sahra Wagenknecht werden. Bündnis90/Grüne und SPD gehören der bisherigen CDU-geführten Koalitionsregierung an. Alle drei Regierungsparteien haben allerdings mit Stimmenverlusten zu rechnen. Dabei müssen B90G und SPD sogar um den Wiedereinzug ins Parlament kämpfen. Noch mehr gilt das für die oppositionelle Linkspartei. In den Wahlprogrammen dieser Parteien zeigen sich bei den Aussagen zur Energiepolitik einige Gemeinsamkeiten, aber auch unterschiedliche Aussagen und Gegensätze. Die größten und grundsätzlichsten Gegensätze zur Energiepolitik der aktuellen Landesregierung offenbart das Wahlprogramm der AfD. CDU und SPD gehen offenbar davon aus, dass sie auch nach der Wahl weiterregieren können. Deshalb haben sie ihre Wahlaussagen jeweils in Form eines „Regierungsprogramms“ vorgelegt. Ihre politischen Konkurrenten waren etwas zurückhaltender und haben „Wahlprogramm“ als Überschrift gewählt. Für Klimaschutz und den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien setzen sich fast alle Parteien ein – mit Ausnahme der AfD. Dabei hält besonders die CDU sehr deutlich fest, dass ihr die Verlässlichkeit und Bezahlbarkeit von Energie ebenso wichtig ist. Ein wichtiger Erfolg der aktuellen Koalitionsregierung war das Energie- und Klimaprogramm 2021, das die mittel- und langfristigen Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Sachsen bestimmt. Es gilt als wichtige Grundlage für die Planungsbehörden. B90G will nun noch einen Schritt weitergehen und auch ein sächsisches Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen. Als Ziel möchten die Bündnisgrünen darin verankern, dass bis zum Jahr 2040 eine Klimaneutralität erreicht werden soll. Eine klimaneutrale Wirtschaft setzt entweder keine klimaschädlichen Emissionen frei oder gleicht diese vollständig aus. Ein Klimaschutzgesetz strebt auch die Linke an. Darin will sie sozial gerechte CO2-Reduktionsziele in allen Sektoren verpflichtend festschreiben. Die Bündnisgrünen führen seit dem Jahr 2019 das Sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft. Diese Einarbeitung zeigt sich im Wahlprogramm: Darin gehen sie sehr ausführlich auf Energiefragen ein und formulieren die am weitesten gehenden und konkretesten Vorstellungen für den Ausbau erneuerbarer Energien. Vor allem wollen sie die „Windkraft beflügeln“, so dass sie in den nächsten Jahren auf acht Gigawatt ausgebaut werden kann. Das wäre das Neunfache ihrer bisherigen Leistung. Die Kommunen, Anwohner und Unternehmen vor Ort sollen an diesem Ausbau beteiligt werden. Dafür haben die Bündnisgrünen in ihrer Regierungszeit wichtige Grundlagen gelegt: Unter ihrer Federführung hat der Landtag zuletzt ein Gesetz beschlossen, nach dem die Standortgemeinden an den Stromerlösen von neuen Windenergie- und Fotovoltaik-Freiflächenanlagen beteiligt werden müssen. Auch die Genehmigungsverfahren für Windenergie-Anlagen wurden vereinfacht und beschleunigt. Bisher hat sich das zwar noch nicht in einem beschleunigten Ausbau der Windenergie niedergeschlagen. Es sind aber einige Grundlagen dafür gelegt worden, dass dies in den nächsten Jahren möglich werden kann. Bei den meisten anderen Parteien finden sich eher knappe Aussagen zum Windenergie-Ausbau. Bei SPD, Linken und BSW lässt sich eine zurückhaltende Unterstützung herauslesen, während die CDU dieses Thema gar nicht speziell erwähnt. Eine deutliche Gegenposition formuliert die AfD. Sie plant eher eine Windkraft-Bremse und will dazu die aus Bayern bekannte 10-H-Regelung einführen. Das bedeutet, dass Windräder einen Mindestabstand zu Wohngebäuden einhalten müssen, der zehnmal so groß ist wie die Höhe des Windrads. In Bayern ist der Windkraft-Ausbau damit über Jahre hinweg ausgebremst worden. Außerdem wollen die AfD-Politiker künftig die Erbauer von Windparks dazu verpflichten, Rückstellungen für den vollständigen Rückbau ihrer Anlagen nach Ablauf der Betriebsdauer zu bilden. Für den Ausbau der Solarenergie haben die Parteien vielfältige Vorschläge in ihre Programme aufgenommen. Die Bündnisgrünen setzen sich dafür ein, dass beim Bau von Freiflächen-Anlagen starke Kriterien für Nachhaltigkeit und Biodiversität beachtet werden. Außerdem wollen sie hybride Nutzungsformen wie die Agri-Fotovoltaik voranbringen. Dabei werden Solaranlagen so auf landwirtschaftlichen Flächen installiert, dass sie die Nahrungsproduktion ergänzen und im besten Fall auch unterstützen. Die SPD hat die Flächen entlang von von Autobahnen und Schienenwegen im Blick. Hier könnten nach ihrer Vorstellung bevorzugt Solar- und Wind-Energieparks gebaut werden, um diese Strecken als „Energiebänder“ zu gestalten. Den Bau von Solarstrom-Anlagen auf Gebäuden wollen B90G, SPD und Linke voranbringen. Am weitesten gehen dabei wieder die Bündnisgrünen, die eine Solarpflicht für öffentliche Gebäude und Parkplätze des Freistaats einführen wollen – und ebenso für alle neu gebauten Gewerbegebäude, Mehrfamilienhäuser und Parkplätze. SPD und Linke streben zunächst nur bei Neubauten eine Solarpflicht an. Die Linke will auch bestehende Gebäude nach und nach verpflichtend mit Solarenergie-Anlagen ausgestattet und/oder als Gründächer gestaltet sehen. Auch für die energetische Nutzung der Biomasse entwickeln die Bündnisgrünen sehr weitgehende Vorstellungen. Bioabfälle, Ernterückstände, Festmist und Gülle sollen weiter der Produktion von Strom, Wärme und Kraftstoff dienen. Die Biomasse-Anlagen müssten dabei zukünftig stärker auf einen flexiblen und systemdienlichen Betrieb ausgerichtet werden: Also dann Energie erzeugen, wenn Sonne und Wind nicht verfügbar sind. Bei den anderen Parteien spielt die Biomasse kaum eine Rolle; bei der SPD wird sie immerhin kurz erwähnt. Stromspeicher haben dagegen fast alle Parteien im Blick. So will die CDU Solarstrom-Heimanlagen mit Heimspeichern fördern, um die Nutzung von selbst erzeugtem Strom im eigenen Haushalt voranzubringen. Die AfD hat sich vorgenommen, eine Speicherpflicht für Wind- und Solarparks einzuführen. Die Speicher sollen mindestens sieben Tage lang soviel Energie bereitstellen, wie es der jeweiligen Nennleistung der Wind- oder Solar-Großanlagen entspricht. Außerdem setzt sich die AfD dafür ein, Pumpspeicher-Kraftwerke zu erhalten und auszubauen. Sie sind ihrer Ansicht nach die effektivste Form, um Strom kurz- und mittelfristig zu speichern und Spitzenbelastungen des Stromnetzes abzupuffern. B90G setzen auf Kurz- und Langfristspeicher für Strom, Wärme und Wasserstoff, um ein effizientes Gesamtsystem und Versorgungssicherheit vor Ort erreichen zu können. Die Linke will nicht benötigten Strom in Wärmenetzen speichern und die so gespeicherte Energie für Heizung und Warmwasserbereitung nutzbar machen. Zum Thema Speicher passt das Thema Wasserstoff. Die CDU setzt sich dafür ein, dass ganz Sachsen mit seinen Innovations- und Industriezentren an das nationale Wasserstoffnetz angeschlossen wird. Grüner und dekarbonisierter Wasserstoff soll in großen Mengen durch verschiedene Herstellungsverfahren direkt im Freistaat produziert werden. Zum Verständnis: Grüner Wasserstoff wird aus erneuerbaren Energien und Wasser produziert, wobei keine Treibhausgase entstehen. Dekarbonisierter Wasserstoff kann aus fossilen Energieträgern wie Erdgas hergestellt werden. Dabei entstehen Treibhausgase, die abgetrennt und gespeichert oder stofflich genutzt werden müssen. Bei der AfD hat Wasserstoff keinen Platz in den energiepolitischen Vorstellungen. Ganz anders B90G: Sie wollen den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft entlang der sächsischen Wasserstoff-Strategie auf der Grundlage von grünem Wasserstoff vorantreiben und fortentwickeln. Dabei sehen sie grünen Wasserstoff allerdings in den kommenden Jahren noch als eine knappe und wertvolle Ressource, die vor allem für die Dekarbonisierung der Wirtschaft benötigt wird. In der Regierung ist die Wasserstoff-Politik derzeit im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr angesiedelt, das von der SPD geführt wird. In ihrem Wahlprogramm schreibt sie Sachsen einen Vorsprung bei grünem Wasserstoff zu, den sie halten will. Dafür strebt sie eine enge Anbindung an das bundesweite Wasserstoff-Kernnetz an. Auch das Verteilnetz will sie ausbauen, um Regionen wie Südwestsachsen, den Meißner Industriebogen, Dresden sowie die Lausitz zu erschließen. Dazu sollen Wasserstoff-Speicher kommen. Um das alles zu ermöglichen, setzt die SPD auf eine frühzeitige Planung und eine klare Finanzierungsstruktur. Die Linke vertritt die Ansicht, dass eine Wasserstoff-Infrastruktur in die öffentliche Hand gehört. Außerdem hält sie nur den Einsatz von grünem Wasserstoff für vernünftig. Er soll möglichst vor Ort erzeugt werden, um die Abhängigkeit von Importen zu verringern. Dabei will die Linke jedoch auch die Umweltbelastungen in den Blick nehmen, die mit der Herstellung von Wasserstoff verbunden sind. Das soll insbesondere für Regionen gelten, in denen Wassermangel droht. Im vorigen Jahr 2023 hatten die Pläne der Bundesregierung zur Heizung und Energieeffizienz von Gebäuden für Aufregung gesorgt. Zum Jahresanfang 2024 war dann ein überarbeitetes Gebäude-Energiegesetz in Kraft getreten, das neue Vorschriften zur Energieeffizienz von Gebäuden und zum Einsatz erneuerbarer Energien für Heizungen enthält. Die AfD lehnt diese neuen Standards ab und kündigt an, das Gebäude-Energiegesetz ebenso wie andere gleichgelagerte Gesetze nicht umzusetzen. B90G dagegen sieht energetische Sanierungsmaßnahmen als „entscheidenden Beitrag zur Senkung des Energieverbrauchs“. Eine Förderung soll die energetische Modernisierung und den Heizungstausch fossiler Anlagen unterstützen. Die SPD tritt für eine sozial gerechte Energiewende ein: Wärmewende und Heizungstausch müssten für alle Akteurinnen und Akteure bezahlbar sein, heißt es in ihrem Wahlprogramm. Dazu will sie Bundesprogramme kofinanzieren und, wenn notwendig, eigene Landesprogramme auflegen. Als einzige sächsische Parteiorganisation setzt sich die SPD mit einer Wahlaussage dafür ein, dass das Klimageld im Bund eingeführt wird. Zum Verständnis: Das Klimageld stammt aus Einnahmen, die der Bund durch die Kohlendioxid-Steuer erhält. Es sollte eigentlich schon an die Haushalte ausgezahlt werden, um Kostenbelastungen auszugleichen, die durch Klimaschutz-Maßnahmen entstehen. Diese Auszahlung hat bisher nicht stattgefunden und ist frühestens im Jahr 2025 zu erwarten. Die Linke will vermeiden, dass energetische Sanierungen und Umbauten von Gebäuden und Wohnungen dazu führen, dass Menschen finanziell belastet werden. Sie tritt für eine warmmietenneutrale Sanierung ein: Dabei dürfen die Kosten der Maßnahmen nur so weit auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden, wie diese durch die Sanierung bei den Energiekosten sparen. So schnell wie möglich will die Linke einen Härtefallfonds für Energieschulden einrichten, die durch die jüngste Energiekrise entstanden sind. Strom- und Gassperren will sie abschaffen. Außerdem will sie erreichen, dass die Strompreise sinken. Dazu muss ihrer Ansicht nach ein neues Strommarkt-Design eingeführt werden, das die Preisvorteile der erneuerbaren Energien an die Verbraucher und Verbraucherinnen weitergibt. Dafür will sich die Linkspartei gegenüber dem Bund und in der Europäischen Union einsetzen. Eine ähnliche Aussage findet sich im Energieteil des BSW-Wahlprogramms: „Die an sich kostengünstige Energie der Erneuerbaren muss endlich im Portemonnaie der Verbraucher ankommen.“ Insgesamt sind die BSW-Aussagen zur Energiepolitik eher knapp gehalten. Das ist wohl damit zu erklären, dass diese Partei erst im Januar 2024 als Abspaltung von der Linkspartei gegründet wurde und sich noch im Aufbau befindet. Nach den Energiepreis-Krisen der vergangenen Monate und angesichts künftig möglicher Kostensteigerungen ist die Bezahlbarkeit von Energie auch bei den anderen Parteien stärker in den Blickpunkt gerückt. So schreibt die CDU in ihrem Wahlprogramm, dass sie sächsischen Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern einen Zugang zu preiswerter, klimafreundlich erzeugter Energie schaffen will. Insbesondere energieintensiven Unternehmen soll so eine konkurrenzfähige Produktion ermöglicht werden. Dazu wollen die Christdemokraten einen neuen Gesellschaftsvertrag mit der Bundesregierung schließen und zu einer Übereinkunft kommen, wie Klimaschutz, Versorgungssicherheit und konkurrenzfähige Energiepreise zu erreichen sind. Die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie findet sich als Schwerpunkt auch bei der AfD. Um beides zu erreichen, will sie die sächsischen Braunkohle-Tagebaue und -Kraftwerke weiter betreiben und sich in der Bundespolitik dafür einsetzen, den Kohleausstieg zurückzunehmen. Außerdem hat sie vor, das sächsische Höchstspannungsnetz gegen Netz-Zusammenbrüche in anderen Regionen Deutschlands abzusichern. Auf diese Weise soll eine „Energieautonomie“ aufrecht erhalten werden. Mit diesen Aussagen ist die AfD allerdings sehr weit entfernt von allen anderen Parteien, die nach der Wahl im Landtag vertreten sein könnten. Keine von ihnen stellt den Kohleausstieg in Frage. Unterschiedliche Auffassungen gibt es nur dazu, ob er zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen sollte oder möglich wäre. Die CDU hält an dem Kohlekompromiss mit einem Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 fest. Die SPD steht ebenfalls dazu, betrachtet aber auch einen früheren Ausstieg als möglich. Als Voraussetzung dafür nennt sie, dass die Energieversorgung zu jedem Zeitpunkt sicher, verfügbar und bezahlbar bleibt. Außerdem sollen in den Braunkohlerevieren ausreichend neue, gut bezahlte Arbeitsplätze entstanden sein. Das BSW vertritt die Ansicht, dass die Nutzung von Erdgas und Kohle für eine sichere Energieversorgung der sächsischen Betriebe weiterhin erforderlich ist. Einen Ausstieg aus der Nutzung der sächsischen Braunkohle vor 2038 lehnt es ab. B90G hält es dagegen für notwendig, dass der Kohleausstieg deutlich vor 2038 geschieht. Ihrer Ansicht nach wird Kohle ohnehin schon deutlich vor diesem Datum nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Die Bündnisgrünen setzen sich auch dafür ein, das von Abbaggerung bedrohte Dorf Mühlrose in der Lausitz zu erhalten. Die darunter liegende Kohle ist ihrer Ansicht nach energiewirtschaftlich nicht notwendig. Außerdem will B90G die Betreiber von Braunkohle-Tagebauen dazu verpflichten, die langfristigen Folgekosten des Bergbaus zu tragen. Risiken für den sächsischen Staatshaushalt sollen so abgewendet werden.Erneuerbare Energien für den Klimaschutz
Windkraft beflügeln oder bremsen
Ideen für Solarenergie
Flexible Biomasse-Anlagen
Kleine und große Energiespeicher
Vorsprung bei grünem Wasserstoff
Wärmewende und Heizungstausch
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Bezahlbarkeit von Energie
Kohleausstieg 2038 oder schon eher?
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