Der Energieträger und Rohstoff soll dazu beitragen, die europäische Industrie zu dekarbonisieren und Klimaziele zu erreichen. Der Europäische Rechnungshof hat nun die Wasserstoff-Strategie der EU-Kommission untersucht und kam zu einem gemischten Ergebnis.

 

Wasserstoff wird oft nicht über Leitungen, sondern in Druckflaschen transportiert. Symbolfoto: Stefan Schroeter

Die Europäische Kommission sollte ihre Industriepolitik bei erneuerbaren Wasserstoff anhand der Wirklichkeit überprüfen. Das empfiehlt der Europäische Rechnungshof in einem heute veröffentlichten Sonderbericht. Die EU-Kommission hatte im Juli 2020 ihre Wasserstoff-Strategie vorgestellt und Ziele dafür genannt, wie sich Produktion und Import von grünem Wasserstoff bis zum Jahr 2030 entwickeln sollten.

Der Rechnungshof hat nun die bisherige Entwicklung untersucht und kam zu einem gemischten Ergebnis. Zwar habe die Kommission inzwischen weitgehend den Rechtsrahmen für den neu entstehenden Markt geschaffen, sagte Stef Blok als zuständiges Mitglied des Rechnungshofs in einem Online-Pressegespräch. Andererseits sei es unwahrscheinlich, dass sie ihre selbst gesteckten Ziele für 2030 erreichen könne.

Die Kommission hatte sich vorgenommen, dass die Mitgliedsstaaten dann zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr produzieren können. Die gleiche Menge soll noch einmal aus anderen Ländern importiert werden.

Diese Ziele bewertet der Rechnungshof als zu ehrgeizig. Nach seiner Einschätzung beruhen sie nicht auf einer soliden Analyse, sondern sind von politischem Willen geleitet. Blok wies darauf hin, dass die Kosten des grünen Wasserstoffs eine entscheidende Rolle dafür spielen, wie sich Angebot und Nachfrage entwickeln.

Unter diesem Blickwinkel rechnen die Prüfer damit, dass die Nachfrage nach grünem Wasserstoff bis 2030 nicht einmal 10 Millionen Tonnen erreicht. Erst recht nicht erwarten sie die 20 Millionen Tonnen, die von der EU-Kommission vorausgesagt wurden. Sie nehmen auch nicht an, dass die entsprechenden Mengen in den Mitgliedsländern selbst produziert und aus anderen Ländern importiert werden können.

 

Dekarbonisierung der Industrie

Erneuerbarer oder grüner Wasserstoff kann eine wichtige Rolle dabei spielen, den Treibhausgas-Ausstoß in wichtigen Industriezweigen zu senken und langfristig zu neutralisieren. Hier eignet er sich dafür, Kohle und Erdgas als Rohstoff und Energieträger ersetzen. Das betrifft beispielsweise die Stahl- und Chemieindustrie oder auch die Zement- und Düngemittel-Produktion.

Diese Industriezweige werden durch die Klimapolitik der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsländer dazu angehalten, ihre Produktion zu dekarbonisieren. Um auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sie sich dafür möglichst kostengünstige Möglichkeiten erschließen können.

Grüner Wasserstoff wird aus erneuerbaren Energieträgern und Wasser hergestellt. Bisher sind die Produktionsanlagen dafür noch relativ klein, ebenso wie die hergestellten Mengen. Das führt zu hohen Kosten und geringer Verfügbarkeit. Auch der Transport ist noch sehr schwierig. Es gibt nur wenige Leitungsnetze, die außerdem regional begrenzt sind.

Der Rechnungshof fordert deshalb von der EU-Kommission, sicherzustellen, dass ihre strategischen Entscheidungen die Wettbewerbsfähigkeit der Schlüsselindustrien nicht beeinträchtigen oder neue Abhängigkeiten schaffen.

Die Prüfer weisen auch darauf hin, dass der Aufbau einer EU-Wasserstoffindustrie massive öffentliche und private Investitionen erfordert. Bei ihrer Untersuchung haben sie allerdings festgestellt, dass die Kommission keinen vollständigen Überblick über den Bedarf oder die verfügbaren öffentlichen Mittel hat.

Ihre eigene Schätzung ergab dann, dass für den Zeitraum von 2021 bis 2027 insgesamt 18,8 Milliarden Euro an EU-Fördermitteln verfügbar sind. Allerdings sind diese Gelder über mehrere Programme verstreut. Das erschwert es den Unternehmen, zu entscheiden, welche Finanzierungsart sich für ein Wasserstoff-Projekt am besten eignet.

 

Vier Länder gehen voran

Der Großteil der EU-Förderung geht an die EU-Länder Deutschland, Spanien, Frankreich und Niederlande. Sie verfügen auch über die meisten fortgeschrittenen Projekte für die Produktion von grünem Wasserstoff. Gleichzeitig gibt es hier auch einen besonders großen Bedarf, die Treibhausgas-intensive Industrie zu dekarbonisieren.

Bei der Entwicklung des Wasserstoff-Leitungsnetzes, das für den Transport notwendig ist, ergibt sich ein ähnliches Bild. Eine ähnlich fortgeschrittene Entwicklung auf diesem Gebiet sehen die Prüfer ebenfalls in Italien. Auch dieses Land hat viel zu leisten, um seine Treibhausgas-intensive Industrie zu dekarbonisieren.

In dem Bericht des Rechnungshofs wird eher zurückhaltend ein weiteres EU-Land erwähnt, das über eine große und schwer zu dekarbonisierende Industrie verfügt: In Polen gibt es demnach noch keine größeren Projekte für die Produktion und auch nicht für den Transport von grünem Wasserstoff.

Die Prüferinnen und Prüfer gehen auch auf sieben weitere Länder ein, die ebenfalls über fortgeschrittene Projekte für grünen Wasserstoff verfügen. Das sind Belgien, Griechenland, Schweden, Portugal, Finnland, Irland und Dänemark. Bis auf Belgien haben sie auch ein gutes oder hohes Potenzial für die Erzeugung erneuerbarer Energie.

Gleichzeitig gibt es hier relativ wenig Industrie, die nur schwer dekarbonisiert werden kann. Künftig könnten diese Länder aber auch daran interessiert sein, grünen Wasserstoff als Energiespeicher oder für die Kraftstoffproduktion zu nutzen.

Eine Sonderstellung nimmt Rumänien ein, das zwar über ein gutes Potenzial für die Erzeugung erneuerbarer Energien verfügt. Trotzdem gibt es dort keine fortgeschrittenen Projekte für grünen Wasserstoff.
 

Auktionen der Wasserstoffbank

Eine Institution, die zu günstigen Produktionskosten für diesen Energieträger und Rohstoff beitragen kann, ist die Europäische Wasserstoffbank. Sie vergibt öffentliche Produktionszuschüsse an Unternehmen, die sich langfristig zu einer kostengünstigen Produktion von grünem Wasserstoff verpflichten. Nach einer ersten Auktion hat sie im April 2024 zunächst 720 Millionen Euro für sieben ausgewählte Projekte bereitgestellt.

Die EU-Kommission hat weitere Auktionen mit zusätzlichen Zuschüssen von 2,2 Milliarden Euro angekündigt. Die Rechnungsprüfer weisen nun allerdings darauf hin, dass es dafür noch keinen Finanzierungsbeschluss gibt. Bisher ist geplant, dass die nächste Auktion bis zum Jahresende 2024 beginnen soll.

Grüner Wasserstoff kann auch aus Ländern außerhalb der Europäischen Union importiert werden. Mehrere EU-Länder bemühen sich ebenso wie die EU-Kommission aktiv darum, Energie- oder Wasserstoff-Partnerschaften aufzubauen. Eine Gesamtstrategie für Wasserstoff-Importe in die EU konnte der Rechnungshof allerdings nicht feststellen.

 

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