An manchen Herbst- und Wintertagen produzieren Solar- und Windparks nur noch sehr wenig Strom. In solchen Zeiten sollen künftig neue Erdgas- und Wasserstoff-Kraftwerke einspringen. Die Biogas-Branche bietet eine andere Lösung an.
Die Stromerzeugung aus den erneuerbaren Quellen Sonne und Wind bestimmt zunehmend das Stromsystem. Umso stärker wirken sich deshalb auch die sogenannten Dunkelflauten aus. Das sind trübe Tage, an denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Solche Dunkelflauten gibt es vor allem im November, Dezember und Januar. Dann produzieren Solar- und Windparks nur sehr wenig Strom. An ihre Stelle treten vor allem Gas- und Kohlekraftwerke mit teilweise hohen Einsatzkosten. An der Strombörse steigen dann die Großhandelspreise. Zuletzt war das am 6. November zu beobachten, als der Großhandels-Strompreis im Kurzfristhandel auf bis zu 82 Cent pro Kilowattstunde stieg. Das war etwa zehnmal so viel wie in normalen Zeiten. Seit dem Jahr 2012 gab es nahezu in jedem Jahr solche Dunkelflauten, die im Extremfall bis zu 12 Tage angehalten haben. Darüber berichtete kürzlich der Energiewissenschaftler Jürgen Karl von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bei einer Konferenz der AEE Agentur für Erneuerbare Energien. Er rechnet damit, dass es bei künftigen Dunkelflauten zu wachsenden Stromdefiziten kommt. Diese Stromdefizite müssten durch Speicher, Verbrauchsregelungen und Importe ausgeglichen werden. Dazu kommen flexibel einsetzbare Kraftwerke, die möglichst klimafreundlich betrieben werden sollten. Den Bau und Betrieb solcher Kraftwerke will die Bundesregierung mit dem KWSG Kraftwerkssicherheitsgesetz voranbringen. Dieses Gesetz soll es ermöglichen, dass flexible Erdgas- und Wasserstoff-Kraftwerke gebaut werden, die insgesamt 12,5 Gigawatt Strom erzeugen können. Sie sollen überwiegend in Süddeutschland entstehen, wo Strommangel-Situationen besonders ausgeprägt sind. Die Kosten dafür will der Bund zu einem kleinen Teil aus dem Klima- und Transformationsfonds bezahlen. Den weitaus größten Teil sollen die Stromkunden mit einer neuen Umlage auf den Strompreis aufbringen. Wie Benedikt Günther vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in der AEE-Konferenz berichtete, war bisher geplant, dass die ersten Wasserstoff-bereiten (Fachenglisch: H2-ready) Kraftwerke im kommenden Jahr 2025 ausgeschrieben werden und im Jahr 2030 in Betrieb gehen. Dabei handelt es sich um Kraftwerke, die zunächst Erdgas als Brennstoff nutzen und später auf Wasserstoff umgestellt werden. Dazu müsste das Gesetz allerdings noch vor der Bundestagswahl beschlossen werden. Doch die Aussichten dafür sind ebenso wie bei mehreren anderen energiewirtschaftlichen Gesetzesprojekten eher ungewiss. Ähnlich große flexible Kraftwerksleistungen von 12 Gigawatt bietet derzeit auch die Biogas-Branche an. Die Bedingungen dafür sind dafür allerdings nicht besonders günstig: Für viele Anlagen laufen die bisherigen Strom-Einspeisevergütungen aus, die für einen wirtschaftlichen Betrieb notwendig sind. Es gibt zwar auch Ausschreibungen für Anschlussvergütungen. Doch die sind knapp gehalten und reichen nur für einen Teil der Anlagen. Um ältere Biogasanlagen zu erhalten und den gesamten Anlagenbestand für einen flexiblen Betrieb umzubauen, müssten bestehende Gesetze geändert und Finanzmittel eingeplant werden. Auch dafür sind die Aussichten derzeit eher schwierig, obwohl sich zuletzt auch die Energieminister der Bundesländer für den Erhalt der Anlagen eingesetzt hatten. Dabei hatte Energiewissenschaftler Karl gerade erst in einer Studie für den Fachverband Biogas ermittelt, dass Biogas-basierte Reservekraftwerke günstiger gebaut und betrieben werden können als Wasserstoff-basierte Reservekraftwerke. Dazu kommt, dass grüner Wasserstoff in absehbarer Zeit knapp bleiben dürfte. Nach Karls Berechnungen ist auch der Kohlendioxid-Fußabdruck von grünem Wasserstoff und Biogas etwa gleich groß – selbst wenn das Biogas aus dem viel kritisierten Einsatzstoff Mais hergestellt wurde. Als einen Grund dafür nannte er die Lebenszyklus-Emissionen von Solaranlagen, Windrädern und Elektrolyseuren, die in die Bilanz des Wasserstoffs einfließen. Einen weiteren Grund sieht er im niedrigen Gesamt-Wirkungsgrad von Elektrolyse und Rückverstromung. Gleichzeitig hält es der Energiewissenschaftler für sinnvoll und richtig, Biogasanlagen von nachwachsenden Rohstoffen auf die Einsatzstoffe Gülle und Bioabfall umzustellen. Dann würden Methan-Emissionen vermieden, und die Treibhausgas-Bilanz sei noch einmal deutlich günstiger.Flexible Kraftwerke gegen Stromdefizite
Flexible Biogas-Kraftwerke
Treibhausgase im Lebenszyklus
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