In der landwirtschaftlichen Tierhaltung fallen große Mengen Gülle an. Der damit verbundene Treibhausgas-Ausstoß lässt sich weitgehend vermeiden, wenn der Reststoff in Biogasanlagen vergoren und energetisch genutzt wird. Doch bisher wird erst ein Drittel der Mengen auf diese Weise verwertet – und die Aussichten für einen Ausbau sind unsicher.
Biogasanlage bei Riesa. Archivfoto 2021: Stefan Schroeter
Die energetische Nutzung von Gülle aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung könnte noch erheblich ausgebaut werden. Doch ob das in absehbarer Zeit gelingen kann, bleibt ungewiss. Das wurde gestern bei einem Webinar der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe deutlich. Es erscheint sogar möglich, dass dieser Reststoff künftig weniger als bisher für die Produktion von Biogas genutzt werden kann.
Derzeit werden bundesweit jährlich etwa 60 Millionen Tonnen Gülle Frischmasse für die Biogasproduktion genutzt. Das entspricht etwa einem Drittel der insgesamt anfallenden Menge des Reststoffs, der in Fachkreisen auch als Wirtschaftsdünger bezeichnet wird. Diese Zahlen nannte beim Webinar gestern Peter Kornatz, Abteilungsleiter im Deutschen Biomasse-Forschungszentrum Leipzig.
Der Reststoff Gülle fällt in großen Mengen in der landwirtschaftlichen Tierhaltung an und wird traditionell als Wirtschaftsdünger auf den Feldern der Pflanzenproduktion genutzt. Wenn er gelagert und ausgebracht wird, entsteht das klimaschädliche Treibhausgas Methan und entweicht in die Atmosphäre.
Treibhausgase vermeiden
Die energetische Nutzung von Gülle in Biogasanlagen gilt als beste Möglichkeit, diesen Methan-Ausstoß zu reduzieren. Die so erzeugte Energie führt außerdem zu Treibhausgas-Vermeidungseffekten in der Energiewirtschaft. Auf diese Weise wird durch die Güllenutzung in den bestehenden deutschen Biogasanlagen derzeit ein Treibhausgas-Ausstoß vermieden, der etwa vier bis sechs Millionen Tonnen Kohlendioxid entspricht. Das DBFZ rechnet damit, dass bis zu zehn Mio. t CO2-Äquivalent vermeidbar wären, wenn sich das gesamte deutsche Güllepotenzial für die energetische Nutzung erschließen ließe.
Die aktuelle Entwicklung macht das allerdings sehr wenig wahrscheinlich. Kornatz zufolge hat der Ausbau von Biogasanlagen in den vergangenen Jahren stagniert. In den nächsten Jahren rechnet er wegen schwieriger Rahmenbedingungen sogar mit einem Rückgang im Anlagenbestand. Der Wissenschaftler vermutet, dass damit auch wieder Güllemengen frei werden und dann nicht mehr energetisch nutzbar sein könnten.
Dabei hat sich die Bundesregierung eigentlich das politische Ziel gesetzt, den energetisch genutzten Anteil am Gülleaufkommen bis zum Jahr 2035 auf zwei Drittel zu verdoppeln. Um das zu schaffen, hält Kornatz es für nötig, die Nutzung in kleineren Gülleanlagen stark auszubauen. Sie sind allerdings teurer als Großanlagen: Die Kosten dafür schätzt er auf zwei Milliarden Euro pro Jahr. Davon könnte nach seiner Einschätzung und aus heutiger Sicht nur ein sehr geringer Teil gedeckt werden.
Passende Anreize
Möglicherweise enthält das gerade in Kraft getretene Erneuerbare Energien Gesetz 2023 einige passende Anreize dafür, die notwendigen Güllekleinanlagen neu zu bauen. Darauf wies der Regensburger Rechtsanwalt Helmut Loibl hin. Er hat sich auf Biogasanlagen spezialisiert und untersucht die sehr bewegliche Rechtslage ständig auf wirtschaftliche Anwendbarkeit.
Aus speziellen Vergütungsregeln des EEG 2023 hat er Modelle für neue Güllekleinanlagen in Leistungsklassen bis 75 Kilowatt und bis 150 kW Stromleistung entwickelt, die nach seiner Einschätzung für jeden größeren Tierhaltungsbetrieb finanziell interessant sein können. Gleichzeitig bedauerte Loibl, dass es der Gesetzgeber versäumt habe, auch die schon bestehenden Güllekleinanlagen in die neuen Vergütungsregeln mit einzubeziehen.
Er nimmt an, dass dadurch große Güllemengen für die energetische Nutzung verloren gehen können. Für denkbar hält er es allerdings auch, dass Landwirte ihre bestehenden Biogasanlagen teilweise abreißen und neu bauen könnten, um sich die besseren Vergütungsregeln des EEG 2023 zu erschließen.
Fördergelder
Möglicherweise kann auch ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft dabei helfen, die Wirtschaftlichkeit von Gülle-Biogasanlagen zu verbessern. Mit der Richtlinie „Förderung von Investitionen in emissionsmindernde Maßnahmen zur Vergärung von Wirtschaftsdüngern“ können pro Unternehmen und Vorhaben bis zu 200.000 Euro gewährt werden. Das Programm läuft über die Jahre 2021 bis 2023 und ist mit insgesamt 50 Mio. Euro ausgestattet.
Wie FNR-Abteilungsleiter Birger Kerckow berichtete, können auch Vorhaben für Forschung und Entwicklung sowie Modell- und Demonstrationsprojekte gefördert werden. Über Einzelheiten der Förderung wurde bei dem Webinar ausführlich informiert.