Im deutschen Stromnetz gibt es große regionale Ungleichgewichte und Engpässe. Sie stehen im Widerspruch zum Strom-Großhandel, der zentral und auf fossile Kraftwerke ausgerichtet ist. Um mehr erneuerbare Energien zu ermöglichen, fordern die Deutsche Umwelthilfe und das Forum für Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft eine Reform des Strommarktes.

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Die Energiebörse European Energy Exchange betreibt in Leipzig und Paris einen Strombörsen-Großhandel für die deutsche Preiszone. Foto: Stefan Schroeter

 

 


Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat eine grundlegende Reform und Weiterentwicklung des Strommarktes gefordert. Das solle einen höheren Anteil erneuerbarer Energien ermöglichen, teilte die Organisation mit. Noch immer werde für die Versorgungssicherheit stark auf fossile Energien gesetzt, insbesondere auf teure Gaskraftwerke. DUH zufolge könnten die fossilen Reservekapazitäten deutlich verringert werden, wenn den Erneuerbaren größere Beiträge für Systemstabilität und Versorgungssicherheit zugesprochen würden.

 

Nach Ansicht der Organisation steht dem allerdings der gegenwärtige Aufbau des Strommarktes entgegen. Denn das Strommarktdesign sorge dafür, dass zu oft auf fossile Kraftwerkskapazitäten zurückgegriffen werde. Die DUH fordert deshalb eine Anpassung des Strommarktes. Dafür hat sie Politikempfehlungen beim Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) in Auftrag gegeben und veröffentlicht.

 

Stockende Dekarbonisierung

In diesen Politikempfehlungen weist FÖS darauf hin, dass das aktuelle Strommarkt-Design auf eine zentral gesteuerte, fossile Stromversorgung ausgerichtet ist. Es sei teuer und aufwändig, erneuerbare Energien in ein solches System einzubeziehen und fossile Energien abzulösen. Deshalb stocke die Dekarbonisierung.

 

FÖS führt an, dass Stromnetz und Strommarkt derzeit strikt voneinander getrennt sind, um den Großhandel innerhalb einer Preiszone zu gewährleisten. Es gelte die Grundannahme, dass Transportkapazitäten den Stromhandel am Großmarkt nicht beschränken dürfen. Es gebe keine Anreize oder Vorgaben, bei der Planung von Erneuerbaren-Anlagen die verfügbaren Transportkapazitäten oder Kriterien für Systemstabilität zu beachten.

 

Diese „Fiktion der Kupferplatte“ entspreche nicht der Realität und verursache einen hohen Bedarf an „Korrekturmaßnahmen“. Dazu zählen die Autorinnen den sogenannten „Redispatch“, mit dem Transportengpässe im Übertragungsnetz künstlich überwunden werden.

 

Virtueller Stromtransport

Bei diesem virtuellen Stromtransport senken Kraftwerke, die vor einem Netzengpass stehen, ihre Stromproduktion ab. Gleichzeitig fahren Kraftwerke hinter dem Engpass ihre Stromproduktion hoch. Die Betreiber beider Kraftwerke erhalten dafür eine Vergütung von den Netzbetreibern, die diese Kosten auf ihre Netzentgelte und damit letztendlich auf die Strompreise umlegen.

 

Der Redispatch trägt nicht nur zum Anstieg der Strompreise bei, sondern führt nach Ansicht der Autorinnen auch zu einer erhöhten Stromproduktion aus fossilen Energien. Den Grund dafür sehen sie darin, dass in Nord- und Nordost-Deutschland zunehmend große Strommengen aus erneuerbaren Energien produziert werden, die großen Verbrauchszentren aber eher im Süden und damit hinter Netzengpässen liegen.

 

Für den Redispatch werde deshalb derzeit tendenziell (Wind)-Strom aus dem Norden und Nordosten abgeregelt und mit fossilem Strom im Süden ausgeglichen. Deshalb schätzt FÖS ein, dass die Redispatch-Maßnahmen in ihrer jetzigen Form kontraproduktiv für die Dekarbonisierung sind.

 

Systemdienlicher Ökostrom

In dem Systemmodell der „Kupferplatte“ sehen die Autorinnen außerdem die Ursache dafür, dass es im Strommarkt keine Anreize für eine systemdienliche Platzierung von Anlagen gibt. Die Netzengpässe hätten keinen Einfluss auf Finanzierung und Rentabilität der Anlagen, schreiben sie. Gleichzeitig sei eine gezielte, dezentrale Nutzung von Strom, beispielsweise um Transport zu vermeiden, ebenfalls nicht vorgesehen.

 

Deshalb empfiehlt FÖS, die Systemdienlichkeit von erneuerbaren Energien bei der Vergütung von erneuerbaren Energien zu berücksichtigen. Auch die Sektorenkopplung – also die Verbindung des Strommarkts mit den Märkten für andere Energieträger – sollte umfassend in die Weiterentwicklung des Marktdesigns und der Infrastrukturplanung einbezogen werden.


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