Knotenpreise oder mehrere Preiszonen im Großhandel könnten dabei helfen, die Engpässe beim überregionalen Stromtransport zu mildern. Denkbar sind auch auslastungsorientierte Netzentgelte und neue Methoden zur Netzstabilisierung.

Strommasten Roehrsdorf gross

Umspannwerk Röhrsdorf bei Chemnitz. Archivfoto 2018: Stefan Schroeter


Wie die zunehmenden Engpässe in deutschen Stromübertragungs- und Verteilnetzen besser als bisher gehandhabt werden können, haben Wissenschaftler und Praktiker des Akademienprojektes „Energiesystem der Zukunft“ untersucht. Derzeit gibt es große physikalische Netzengpässe beim Transport von nord- und ostdeutschem Strom nach Süddeutschland, die allerdings im Großhandel der einheitlichen Preiszone für Deutschland und Luxemburg nicht berücksichtigt werden. Um das dort ermittelte Marktergebnis an die technische Wirklichkeit anzupassen, müssen Netz- und Kraftwerksbetreiber deshalb aufwändige Ausgleichsmaßnahmen ergreifen. Im vergangenen Jahr 2019 kosteten diese sogenannten Redispatch-Maßnahmen insgesamt 1,2 Milliarden Euro. Sie fließen in die Netzentgelte ein und werden so von den Stromkunden bezahlt.

 

Die Akademien-Arbeitsgruppe „Strommarktdesign“ hat nun fünf wesentliche Handlungsoptionen für ein effektives und effizientes Netzengpass-Management ermittelt. Diese Handlungsoptionen beschreibt sie ausführlich in der Stellungnahme „Netzengpässe als Herausforderung für das Stromversorgungssystem – Optionen zur Weiterentwicklung des Marktdesigns“, die sie heute in einer Online-Konferenz vorstellte.

 

Als erste mögliche Maßnahme nennt die Arbeitsgruppe die Einführung eines Knotenpreis-Systems. Dabei wird ein Großhandels-Strompreis für jeden Netzknoten ermittelt, an dem Strom ins Netz eingespeist und entnommen werden kann. Diese Preisermittlung berücksichtigt Netzengpässe, so dass regional unterschiedliche Großhandels-Strompreise entstehen können. Wie der Arbeitsgruppenleiter Hartmut Weyer berichtete, gibt es solche Knotenpreis-Systeme bereits in den USA, Australien und Neuseeland. In Polen werde intensiv darüber nachgedacht.

 

Als zweite Handlungsoption sehen die Wissenschaftler und Praktiker einen neuen Zuschnitt der einheitlichen Strompreiszone. Sie könnte beispielsweise in zwei Preiszonen Nord und Süd aufgeteilt werden, schlagen sie vor. Dann würde es unterschiedliche Großhandelspreise geben, wenn der gehandelte Strom nicht ohne Engpässe zwischen den Preiszonen transportiert werden kann.

 

Eine dritte Möglichkeit sind auslastungsorientierte Netzentgelte. Dabei würden Stromverbraucher höhere Netzentgelte zahlen, wenn das Netz in ihrer Region eine kritische Auslastung erreicht. Denkbar wäre auch, die Stromerzeuger in eine solche Regelung einzubeziehen.

 

Die Maßnahmen Vier und Fünf zielen auf die Beschaffung sogenannter Flexibilität. Hier geht es darum, dass Kraftwerksbetreiber kurzfristig Strom ins Netz einspeisen, um die Frequenz stabil zu halten. Auch große Stromverbraucher können zur Netzstabilisierung beitragen, wenn sie ihren Verbrauch auf Anforderung des Netzbetreibers hoch- oder herunterfahren. Für diese Flexibilitätsbeschaffung schlagen die Wissenschaftler neue marktbasierte und nicht marktbasierte Methoden vor.

 

Vor- und Nachteile

Die Arbeitsgruppe weist darauf hin, dass jede der fünf Handlungsoptionen mit Vor- und Nachteilen verbunden ist. Weyer berichtete, dass es insbesondere zum Knotenpreismodell und zur Aufteilung der Großhandels-Preiszone noch keine eindeutige Meinung in der Gruppe gibt. Er hält es auch für denkbar, dass künftig mehrere verschiedene Maßnahmen miteinander kombiniert werden.

 

Die deutschen Stromtransport-Engpässe wirken sich nicht nur im Inland aus, sondern führen auch zu unkontrollierten Ringflüssen über die Netze von Nachbarländern. Auf diese Weise fließt beispielsweise ostdeutscher Überschuss-Strom über Polen und Tschechien nach Süddeutschland. Deshalb sind die grenzüberschreitenden Stromleitungen nur noch sehr eingeschränkt für planbare Stromtransporte verfügbar. Diese Situation steht im Widerspruch zur Absicht der Europäischen Kommission, hohe Mindestanteile der grenzüberschreitenden Leitungen für den Stromhandel verfügbar zu machen.


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