Beim Ausbau erneuerbarer Energien gibt es große regionale Tempo-Unterschiede. Die schnelleren Regionen werden derzeit dafür mit höheren Strompreisen bestraft. Regionale Strom-Preiszonen könnten eine Lösung sein. Die Regierung setzt allerdings zunächst auf eine Reform der Netzentgelte.
Windräder und Stromnetz bei Leipzig. Netzausbau für erneuerbare Energien führt zu regional höheren Strompreisen. Archivfoto 2020: Stefan Schroeter
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz lehnt die Einrichtung von mehreren Preiszonen im Strombörsen-Handel nicht grundsätzlich ab. Das Thema komme seit zehn Jahren immer wieder mal hoch - und nicht zu Unrecht, sagte Staatssekretär Patrick Graichen gestern beim Ostdeutschen Energieforum in Leipzig. Der Netz- und Windenergie-Ausbau sei lange verschleppt und gerade in Bayern blockiert worden. „Und jetzt haben wir den Salat“, sagte Graichen.
Damit bezog er sich indirekt auf die regionalen Ungleichgewichte im Strommarkt, die beim Ausbau erneuerbarer Energien entstehen: In mehreren nord- und ostdeutschen Bundesländern geht dieser Ausbau sehr viel schneller voran als in einigen südwestdeutschen Bundesländern. In den schnell ausbauenden Bundesländern muss auch das Stromnetz verstärkt werden, damit die vielen neuen Solar- und Windparks angeschlossen werden können.
Dieser Netzausbau mit seinen hohen Kosten führt dazu, dass dort die Stromnetz-Entgelte deutlich höher sind als in den langsam ausbauenden Bundesländern. Die Netzentgelte gehen in den Strompreis ein und verteuern ihn.
In den schnell ausbauenden Bundesländern gibt es bei günstigem Wetter oft auch ein Überangebot an Strom. Das liegt daran, dass der Strom aus Nord- und Ostdeutschland wegen fehlender Leitungen nur unvollständig in die großen Verbrauchszentren des Südwestens transportiert werden kann. In den schnellen Bundesländern führt der Strom allerdings trotz des Überangebots nicht zu sinkenden Preisen.
Der Grund dafür ist wiederum, dass der Strom-Großhandelspreis in einer einheitlichen Strombörsen-Preiszone für ganz Deutschland ermittelt wird. Bei gleichem Großhandelspreis und unterschiedlichen Netzentgelten ist der Strom damit insgesamt in den schnellen Bundesländern teurer als in den langsamen Ländern.
Vorschlag und Abwehr
Dieser Widerspruch verstärkt sich in der aktuellen Strompreis-Krise. Am vergangenen Wochenende haben sich die norddeutschen Flächenländer Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen dafür ausgesprochen, mehrere regionale Strompreis-Zonen einzurichten. In diesen Preiszonen könnten unterschiedliche Großhandelspreise ermittelt werden, die sich nach dem regionalen Verhältnis von Angebot und Nachfrage richten.
In den schnellen Ländern würde das wohl oft zu niedrigeren Großhandelspreisen führen. In den langsamen Ländern würden eher höhere Großhandelspreise entstehen. In Bayern stieß dieser Vorschlag auf Ablehnung. Darüber berichtete die Tagesschau, die sich wiederum auf einen Bericht der Zeitung „Welt am Sonntag“ bezog.
Staatssekretär Graichen wies nun darauf hin, dass dieses Thema auch von der Regulierungsbehörde der Europäischen Union bearbeitet wird. Das sei ein längerer Prozess. Er rechnet damit, dass im Laufe der 2020er Jahre die Frage gestellt werden muss, wie Markt und Netz zusammenwirken, und ob es mehrere Strom-Preiszonen geben sollte. Graichen sprach sich für eine nüchterne Sichtweise aus. Er wies darauf hin, dass es in Dänemark bereits zwei Preiszonen gibt und in Schweden sogar vier. „Damit kann man leben, ohne dass die Welt zusammenbricht“, sagte er.
Das Thema der hohen Netzentgelte in den Schnellausbau-Ländern will Graichen allerdings schon bald angehen. Die aktuelle Situation bezeichnete er als „absoluten Fehlanreiz“. Die Logik müsse genau umgekehrt sein: Da, wo viel Strom aus erneuerbaren Energien produziert werde, müsse der Strom günstig sein. Eine entsprechende Netzentgelt-Reform hätten sich die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen. Er kündigte an, dass sie auch in dieser Legislaturperiode erfolgreich abgeschlossen werde.