Ein deutscher Ausstieg aus der Kohleverstromung könnte dazu führen, dass in anderen Ländern mehr Kohlestrom produziert und so der Kohlendioxid-Ausstoß nur dorthin verlagert wird. Um dies zu vermeiden, müsste der europäische Emissionshandel reformiert werden.
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Das Großkraftwerk Schkopau kann noch bis zum Jahr 2035 die Braunkohle aus dem Tagebau Profen verfeuern. Bewegtbild: Stefan Schroeter
Das Bundes-Umweltministerium will bei einem deutschen Kohleausstieg vermeiden, dass der damit eingesparte Kohlendioxid-Ausstoß in andere Länder verlagert wird. „Dann würden wir jedenfalls einen Fehler machen“, sagte Staatssekretär Jochen Flasbarth am Mittwoch beim Ostdeutschen Energieforum in Leipzig. Flasbarth war gefragt worden, ob ein deutscher Ausstieg aus der Kohleverstromung dazu führen könnte, dass dadurch Kohlendioxid-Zertifikate im europäischen Emissionshandels-System frei werden und so der Zertifikatepreis sinkt. Das wäre dann möglicherweise ein finanzieller Anreiz dafür, in anderen europäischen Ländern mehr Kohlestrom zu erzeugen. Die CO2-Einsparung durch den deutschen Kohleausstieg würde damit wieder zunichte gemacht.
In seiner Antwort auf diese Frage sagte Flasbarth weiter, dass der Emissionshandel weiterentwickelt werden müsse. Dabei seien Bundesumwelt- und -wirtschaftsministerium in besonderer Weise gefordert. „Es wäre absurd, wenn diese Emissionen dann einfach nur verlagert würden in andere Nachbarstaaten. Insofern bedarf es einer Korrektur. Das sind noch die Dinge, die im Augenblick mit der EU-Kommission und innerhalb der EU-Kommission diskutiert werden.“
Klimaschutzplan
Der Ausstieg aus der Kohleverstromung ist ein wichtiger Bestandteil des Klimaschutzplans 2050, den das Umweltministerium erarbeitet und mit dem Wirtschaftsministerium abgestimmt hat. Er enthält einen Maßnahmenkatalog, mit dem die Bundesregierung ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen vom Dezember 2015 erfüllen will. Der Klimaschutzplan soll nun noch mit weiteren Bundesministerien abgestimmt und in der Bundesregierung diskutiert werden. Flasbarth geht davon aus, dass der Klimaschutzplan im November verabschiedet werden kann.
Auf eine Jahreszahl für den Kohleausstieg wollte sich der Umwelt-Staatssekretär selbst nicht festlegen. Stattdessen zitierte er eine frühere Aussage seiner Ministerin Barbara Hendricks (SPD), wonach es zu schaffen sei, die Kohleverstromung sozialverträglich in 20 bis 25 Jahren zu beenden. In der politischen Diskussion würden inzwischen auch kürzere Zeiträume genannt.
Flasbarth warnte allerdings davor, die Diskussion auf Jahreszahlen zu verkürzen. „Es geht vielmehr darum, dass wir einen Prozess organisieren, in dem wir die Beendigung der Kohleverstromung so gestalten, dass wir das regionalwirtschaftlich auch gut vertreten können“, erklärte er. Außerdem sei es notwendig, stabile regionale wirtschaftliche Perspektiven und Energie-Versorgungssicherheit zu bezahlbaren Preisen zu gewährleisten. „Und ich bin ganz zuversichtlich, dass das mit allen Beteiligten – mit der Industrie, mit den Beschäftigten, mit den Gewerkschaften, mit den Umweltverbänden, mit den Regionen – auch gelingen kann“, so Flasbarth.
Kohlestrukturen
Bei der Veranstaltung hatten sich zuvor die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen-Anhalt, Dietmar Woidke (SPD) und Reiner Haseloff (CDU), sowie der sächsische Umweltminister Thomas Schmidt (CDU), für den Erhalt der bestehenden Braunkohlewirtschaft über mehrere Jahrzehnte eingesetzt. Die Kohlestrukturen müssten noch über die nächsten 20 oder 30 Jahre aufrecht erhalten werden, sagte Haseloff. Das sei nötig, um die Energieversorgung bei einer schwankenden Einspeisung erneuerbarer Energien zu stabilisieren. Dabei deutete er an, dass die Kohleverstromung in diesem Zeitraum möglicherweise schrittweise vermindert werden kann.
Haseloff führt seit April eine Koalitionsregierung aus CDU, SPD und Grünen. Im Koalitionsvertrag hatten die Parteien festgehalten, dass die energetische Nutzung der Braunkohle in Sachsen-Anhalt spätestens mit der Auskohlung des Tagebaus Profen auslaufen soll. Das wäre nach derzeitigen Plänen im Jahr 2035. Noch nicht geklärt worden war im Koalitionsvertrag, wie das Braunkohle-Großkraftwerk Schkopau ersetzt werden soll, das die Profener Kohle verfeuert und Strom für die Deutsche Bahn sowie Prozessdampf für den Chemiestandort Schkopau liefert. Ebenfalls nicht ausdrücklich erwähnt worden war eine mögliche künftige stoffliche Nutzung von Braunkohle, die sich Haseloff noch offen halten will.
Anders als Woidke und Haseloff wollte Schmidt den Braunkohleausstieg nicht an eine bestimmte Zahl von Jahrzehnten knüpfen, sondern an technische und wirtschaftliche Fortschritte bei der Stromspeicherung. „Es wird der Moment kommen, wo wir den hoch effizienten und auch nicht kostenintensiven Speicher erfinden“, sagte der sächsische Umweltminister. „Und der wird am Ende wirklich das Ende der Braunkohle einläuten.“