Die Bundesregierung und die Landesregierung von Sachsen-Anhalt wollen nichts davon wissen, dass der Braunkohleförderer Mibrag den heimischen Energieträger zunehmend nach Tschechien transportiert. Möglicherweise werden diese fragwürdigen Lieferungen noch deutlich ausgeweitet, wenn das Nachbarland seinen Ausstieg aus dem Braunkohlebergbau vollzieht.
{mp4}Lippendorf_Schleenhain{/mp4}
Bisher wird die Braunkohle aus dem Mibrag-Tagebau Vereinigtes Schleenhain überwiegend im nahen Großkraftwerk Lippendorf verbrannt. In Zukunft wird sie vielleicht auch über hunderte Kilometer nach Tschechien transportiert. Bewegtbild: Stefan Schroeter
Die grenzüberschreitenden Transporte ostdeutscher Braunkohle nach Tschechien könnten nach Einschätzung der Linken-Bundestagsfraktion in Zukunft noch deutlich ausgeweitet werden. In einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung weist die Fraktion darauf hin, dass in Tschechien bereits seit dem Jahr 2012 keine unfreiwilligen bergbaulichen Grundabtretungen mehr möglich sind. Daher werde dort der Betrieb von Braunkohle-Tagebauen offensichtlich spätestens im Jahr 2022 eingestellt. Eine anschließende Ersatzversorgung der nordböhmischen Kraftwerke mit deutscher Braunkohle erscheine naheliegend.
Der Grund für diese Annahme ist, dass der ostdeutsche Braunkohleförderer Mibrag bereits seit dem Jahr 2012 größere Mengen Rohbraunkohle aus dem Tagebau Profen südlich von Leipzig und Halle/Saale per Bahn über mehrere hundert Kilometer an tschechische Kraftwerke liefert, die sich im Besitz seines tschechischen Gesellschafters EP Energy befinden. Solche weiten Transporte sind aus Umweltsicht fragwürdig und galten bisher auch als unwirtschaftlich. Denn Rohbraunkohle besteht zur Hälfte aus Wasser, so dass der Energieaufwand für den Transport in einem ungünstigen Verhältnis zum transportierten Energieinhalt steht.
Aus dem Tagebau Profen beliefert Mibrag bisher vor allem das Großkraftwerk Schkopau. Aus seinem zweiten Tagebau Vereinigtes Schleenhain in Sachsen versorgt das Unternehmen außerdem das Großkraftwerk Lippendorf. Die bisherige Jahresförderung beider Tagebaue, die zuletzt bei 19 Millionen Tonnen lag, reicht nach Einschätzung der Linken allerdings bei weitem nicht aus, um den Bedarf der tschechischen Kraftwerke zu decken. Das sei nur durch eine zusätzliche Belieferung aus dem Lausitzer Revier möglich. Die Linken weisen darauf hin, dass Mibrag und sein Gesellschafter derzeit ein Gebot für die Übernahme des gesamten Braunkohlegeschäfts von Vattenfall in der Lausitz prüfen. Der schwedische Energiekonzern strebt derzeit einen Verkauf seiner dortigen Tagebaue und Großkraftwerke an. Die Förderung lag dort zuletzt bei 64 Mio. t.
Abgebaggerte Heimat
Daraus ziehen die Linken folgende Schlussfolgerung: „Bürgerinnen und Bürger in von Umsiedlung für neue Tagebaue betroffenen Regionen der Lausitz könnten sich also in Zukunft vor die Situation gestellt sehen, in der ihre Heimat noch bis in die Mitte des Jahrhunderts abgebaggert werden soll, auch um Kraftwerke in Tschechien zu beliefern, wo bereits seit dem Jahr 2012 unfreiwillige bergbauliche Grundabtretungen nicht mehr zulässig sind, und wo offensichtlich spätestens im Jahr 2022 der Betrieb von Tagebauen eingestellt wird.“
Die Bundesregierung scheint diese Aussicht allerdings nicht zu beunruhigen. Über die bisherigen Braunkohlelieferungen aus Profen in die Tschechische Republik lägen keine Informationen vor, heißt es in der Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Koordinierungsgespräche zwischen zwischen der Bundesregierung und der tschechischen Regierung zu diesem Thema habe es bisher nicht gegeben. Auch über die voraussichtliche Beendigung des nordböhmischen Braunkohleabbaus im Jahr 2022 und einen möglichen Weiterbetrieb der dortigen Kraftwerke ist das Wirtschaftsministerium nach eigener Auskunft nicht informiert.
Ähnlich fallen die meisten regierungsamtlichen Antworten auf die insgesamt 33 Fragen der Linken-Fraktion aus. Selbst die Frage, ob bislang zwischen der Bundesregierung und der Regierung Schwedens energiestrategische Koordinierungsgespräche zum voraussichtlichen Verkauf von Vattenfalls Braunkohlesparte erfolgt sind, verneint das Ministerium. Dies steht zumindest im Widerspruch zu einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters. Demnach hatte Bundes-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel im November ein Positionspapier zu Vattenfalls Braunkohle-Verkaufsplänen erarbeitet und darin Gespräche mit dem schwedischen Regierungschef Stefan Löfven angekündigt. Sollte die jetzige Antwort des Ministeriums zutreffen, dürften diese Gespräche dann also doch nicht stattgefunden haben.
Eine vergleichbare Ahnungslosigkeit gegenüber Mibrags Braunkohle-Exporten nach Tschechien hatte zuvor bereits die Landesregierung von Sachsen-Anhalt demonstriert, nachdem sich die Landtagsfraktion von Bündnis90/Grünen in einer Kleinen Anfrage danach erkundigt hatte. „Der Landesregierung liegen hierzu keine über die Berichterstattung in der Presse hinausgehenden Informationen vor“, hieß es in der Antwort des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft.