Die Betreiber von Solar- und Windparks sollen die Standortgemeinden finanziell an ihren Stromerlösen beteiligen. In einem Bundesgesetz steht das nur unverbindlich. Deshalb legen Bundesländer nun eigene Landesgesetze mit verbindlichen Regelungen auf.
Im ostsächsischen Windpark Zodel bei Görlitz drehen sich elf Windräder. Sie haben zuletzt mit ihrer Stromproduktion auch Einnahmen für die Gemeinde Neißeaue gebracht, auf deren Gebiet sie stehen. Dazu hatte die Gemeinde im vergangenen Jahr 2023 mit den beiden Betreibergesellschaften des Windparks jeweils einen Vergütungsvertrag geschlossen. Demnach beteiligen die Betreiber die Standortgemeinde an den Einnahmen, die sie mit dem Windstrom erzielen: Für jede Kilowattstunde, die sie produzieren und ins Stromnetz einspeisen, zahlen sie 0,2 Cent in die Gemeindekasse. Für die ersten elf Monate des Jahres 2023 kamen so schon 53.000 Euro zusammen, berichtet Bürgermeister Per Wiesner. Mit dieser Beteiligung an den Stromerlösen nutzen die Windpark-Betreiber und Neißeaue eine relativ neue Regelung im EEG Erneuerbare Energien Gesetz. Danach sollen die Betreiber von Solar- und Windparks die Gemeinden, die von der Errichtung ihrer Anlagen betroffen sind, finanziell beteiligen. Dabei dürfen sie eben jene 0,2 Cent pro eingespeister Kilowattstunde anbieten. Der Zweck dieser Regelung ist, dass die Wind- und Solarparks in der Bevölkerung besser akzeptiert werden. Wenn die Menschen vor Ort einen konkreten Nutzen von neuen Anlagen haben, könnten sie eher damit einverstanden sein, dass solche neuen Anlagen gebaut werden. Eine solche Akzeptanz in der Bevölkerung ist in Sachsen besonders wichtig. Der Bau von Wind- und Solarparks ging hier lange Zeit nur langsam voran, der Nachholbedarf ist groß. Um den Ausbau nun beschleunigen zu können, setzt das bündnisgrün geführte Staatsministerium für Energie, Klima, Umwelt und Landwirtschaft neben mehreren anderen Maßnahmen auch auf die kommunale Beteiligung. Dabei will sich das Ministerium nicht auf die Soll-Regelung des EEG beschränken, sondern strebt eine verpflichtende Zahlung der 0,2 Cent pro Kilowattstunde an. Alternativ können sich Betreiber und Kommunen auch auf andere Formen der finanziellen Beteiligung einigen. Diese Verpflichtung soll in einem Landesgesetz festgeschrieben werden. Damit will Sachsens Regierungskoalition aus CDU, Bündnis 90 / Grüne und SPD eine verlässliche Basis schaffen. Es sei wichtig, dass es keine Unsicherheiten bei den Gemeinden gebe, wenn sie über Windenergie-Projekte entscheiden, begründete Energie-Staatssekretär Gerd Lippold kürzlich das Gesetzesprojekt. Im Juni soll der Landtag über das Gesetz abstimmen. Sachsen kann bei seinem Landesgesetz auf Erfahrungen aufbauen, die andere Bundesländer schon gesammelt haben. Besonders Mecklenburg-Vorpommern hat hier Pionierarbeit geleistet: Als erstes Bundesland schuf es im Jahr 2016 ein Landesgesetz zur kommunalen Beteiligung an Windenergie-Anlagen. Dabei verfolgte das Land zunächst noch andere Beteiligungsmodelle, als sie heute üblich sind. Das Grundmodell sah vor, dass sich anwohnende Privatpersonen oder Gemeinden an neu errichteten oder ersatzgebauten Windenergie-Anlagen oder beteiligen können. Dabei war die Betreibergesellschaft verpflichtet, 20 Prozent der Geschäftsanteile den umliegenden Kommunen und den Anwohnenden zum Kauf anzubieten. Alternativ konnte die Betreibergesellschaft auch eine Ausgleichsabgabe für Gemeinden und ein Sparprodukt für Anwohnerinnen und Anwohner anbieten. Dieses Gesetz stieß damals auf starken Widerstand der Windenergie-Branche: Ein Unternehmen klagte dagegen bis zum Bundes-Verfassungsgericht. Dort wurde das Paragrafenwerk dann allerdings als verfassungsgemäß beurteilt. Das höchste Bundesgericht begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass das Gesetz sich positiv auf die Akzeptanz von Windenergie-Anlagen in der lokalen Bevölkerung auswirke. Diese Akzeptanz sei wiederum wesentlich für einen beschleunigten Ausbau. Die bisherigen Erfahrungen mit diesem Gesetz sind allerdings auch eher durchwachsen. Bekannt geworden sind bisher nur zwei Projekte, bei denen Gemeinden und Anwohner ihre gesetzlich garantierten Beteiligungsmöglichkeiten weitgehend genutzt haben. Inzwischen soll sich eine Praxis etabliert haben, dass Betreibergesellschaften den Kommunen alternative Angebote unterbreiten. Dazu gehört die Auszahlung anteiliger Stromerlöse je Kilowattstunde, wie sie das EEG inzwischen ermöglicht. In Mecklenburg-Vorpommern ist dafür allerdings eine Ausnahmegenehmigung des Energieministeriums nötig. Einen etwas anderen Weg ging später Brandenburg. Hier hatte der Landtag im Juni 2019 ein Gesetz beschlossen, das Anlagenbetreiber seit dem Jahr 2021 dazu verpflichtet, umliegenden Kommunen einen festgelegten jährlichen Betrag pro Anlage zukommen zu lassen. Sie müssen den betroffenen Standortgemeinden dabei pro Jahr 10.000 Euro zahlen. Fünf Jahre danach will die Landesregierung diese Zahlungen nun deutlich ausweiten und an der Leistung der Anlagen ausrichten: Ab dem Jahr 2026 sollen die Anlagenbetreiber 5.000 Euro je installiertem Megawatt Leistung an die umliegenden Kommunen zahlen. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt dem Landtag vor. Für Solarstrom-Freiflächenanlagen hatte der Brandenburger Landtag bereits im Januar 2024 eine verwandte Regelung beschlossen: Die Betreiber solcher Anlagen, die ab dem Jahr 2025 in Betrieb gehen, müssen an die jeweilige Standortgemeinde eine Sonderabgabe von 2.000 Euro pro Megawatt und Jahr zahlen. Ein vergleichbares Modell für die kommunale Beteiligung an Wind- und Solaranlagen verfolgt Sachsen-Anhalt. Dafür gibt es einen Gesetzentwurf der Regierung, der noch vom Landtag beschlossen werden muss. Niedersachsen geht wiederum einen ähnlichen Weg wie Sachsen und gleichzeitig darüber hinaus. Die Anlagenbetreiber müssen hier ebenfalls 0,2 Cent pro eingespeister Kilowattstunde an die Standortgemeinden überweisen. Diese „Akzeptanzabgabe“ gilt hier allerdings nicht nur für Windenergie-Anlagen, sondern auch für Solarstrom-Anlagen auf Freiflächen. Dazu kommt eine direkte Beteiligung der Anwohner: Die Betreiber müssen im Schnitt weitere 0,1 Cent pro Kilowattstunde unmittelbar an die Menschen zahlen, die im Umfeld von 2,5 Kilometern um die Anlage wohnen. Das alles steht in dem Gesetz, das im April 2024 vom Landtag beschlossen wurde. Diese niedersächsischen Ansätze finden sich auch in Entwürfen des Saarlandes und von Thüringen für ihre Windenergie-Beteiligungsgesetze. Beide Entwürfe liegen den Landtagen vor, beschlossen wurden sie noch nicht. In Thüringen zeichnet sich allerdings inzwischen ab, dass die Direktzahlung an Anwohner im Landtag wohl nicht mehrheitsfähig sein wird. In Nordrhein-Westfalen gilt wiederum seit Jahresanfang 2024 ein Beteiligungsgesetz, das an das Modell von Mecklenburg-Vorpommern erinnert. Alle diese Gesetze und Entwürfe der Bundesländer haben eines gemeinsam: Sie gehen über die bundesweite Regelung des EEG 2023 hinaus, die nur eine Soll-Regelung für die finanzielle Beteiligung enthält. Verpflichtend ist diese Regelung nicht. Der Bundestag hatte sich bei der Arbeit an diesem Gesetz zwar auch dafür ausgesprochen, eine verpflichtende Regelung hineinzuschreiben. Ein Rechtsgutachten für das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ergab dann jedoch, dass eine solche Verpflichtung auf Bundesebene verfassungsrechtlich unzulässig wäre. Deshalb wurde sie im EEG dann doch nicht umgesetzt. Die Länder haben hier offenbar einen größeren Spielraum als der Bund: Sie können in ihren Landesgesetzen die verpflichtenden finanziellen Beteiligungen vorschreiben, um eine verlässliche Grundlage für die Gemeinden zu schaffen. Dieser größere Spielraum der Länder ist allerdings mit einer Nebenwirkung verbunden: Die einzelnen Landesgesetze und Entwürfe verfolgen teilweise sehr unterschiedliche Konzepte. Unternehmen der Solar- und Windenergiebranche, die in mehreren Bundesländern aktiv sind, müssen sich deshalb auf unterschiedliche Beteiligungsregeln einstellen. Der Bundesverband Windenergie hatte deshalb schon im Dezember 2023 darauf hingewiesen, dass diese Regelungsvielfalt den weiteren Ausbau der Windenergie verkomplizieren könnte. Die Branchenorganisation schlug deshalb vor, klare und bundeseinheitliche Leitplanken für die Länderregelungen einzuführen. Nach ihrer Ansicht könnten diese Leitplanken auch wieder im EEG des Bundes festgehalten werden. In der Praxis vor Ort kann es auch zu anderen Schwierigkeiten kommen. Im ostsächsischen Windpark Zodel haben die elf Windräder eigentlich schon ein Alter erreicht, in dem sie durch neue Anlagen ersetzt werden sollten. Diese neuen Anlagen wären deutlich leistungsstärker, würden mehr Strom produzieren und damit auch erheblich größere Einnahmen für die Gemeinde bringen. Doch dieses „Repowering“ ist äußerst schwierig umzusetzen, berichtet Per Wiesner, der Bürgermeister der Standortgemeinde Neißeaue. Denn dafür müsste ein neuer Anschluss an das regionale Strom-Verteilnetz gebaut werden. Das nächste Umspannwerk des zuständigen Verteilnetzbetreibers, das sich dafür eignet, ist mehr als 30 Kilometer entfernt. Eine Anschlussleitung bis dahin zu bauen, wäre für die Windpark-Betreiber mit einem sehr großen Aufwand verbunden. Dazu kommt, dass einer der beiden Windpark-Betreiber inzwischen seine drei Anlagen an eine andere Gesellschaft verkauft hat. Die Gemeinde hat es also nun mit einem neuen Vertragspartner zu tun, wenn es um die Beteiligung an den Stromerlösen geht. Bei den anderen acht Anlagen, die zum zweiten Betreiber gehören, ändert sich gerade die Geschäftsgrundlage: Nach 20 Jahren Betrieb fällt die gesetzlich garantierte Einspeisevergütung weg – und damit auch die bisherige Quelle für die Ausschüttungen an die Gemeinde. Ob der Betreiber sie dennoch weiter fortsetzen wird, müssen seine Gesellschafter erst noch entscheiden.Beteiligung schafft Akzeptanz
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Spielräume und Leitplanken
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