Im deutschen Strom-Großhandel wird mehr Strom aus Norden und Osten nach Süden verkauft, als tatsächlich über die Netzengpässe hinweg geliefert werden kann. Das führt zu wachsenden Schwierigkeiten. Die Übertragungsnetz-Betreiber suchen nach einer Lösung, die sich europapolitisch bewähren kann.

 

Phasenschieber im Umspannwerk Röhrsdorf bei Chemnitz. Archivfoto 2018: Stefan Schroeter

Die deutschen Betreiber der Strom-Übertragungsnetze arbeiten weiter an einem Vorschlag, wie der Strom-Großhandel künftig gestaltet werden sollte. Derzeit ist damit zu rechnen, dass sie bis zum Jahresende 2024 eine Empfehlung dazu vorlegen. Darüber berichtete Peter Scheerer, Experte für Europäische Energiepolitik beim Übertragungsnetz-Betreiber TransnetBW, bei den Berliner Energietagen.

Es geht vor allem darum, ob der Strom-Großhandel weiterhin in einer einheitlichen deutsch-luxemburgischen Gebotszone stattfinden kann, oder ob eine Reform notwendig ist. Dabei könnte diese Gebotszone in zwei bis fünf Zonen aufgeteilt werden.

Der Grund dafür liegt in den wachsenden Widersprüchen zwischen dem finanziellen Stromhandel und dem physikalischen Netzbetrieb. Im Stromhandel kann Windstrom, der in Nord- und Ostdeutschland erzeugt wird, unbegrenzt nach Süddeutschland verkauft werden. Tatsächlich transportiert werden kann er dagegen immer öfter nur begrenzt, weil es wachsende Engpässe im Höchstspannungs-Übertragungsnetz gibt.

Diese Netzengpässe werden durch ein System von aufwendigen Maßnahmen ausgeglichen, die mit hohen Kosten für die Netzbetreiber und ihre Stromkunden verbunden sind. Dazu kommt, dass Solar- und Windparks im Norden und Osten abgeregelt werden und im Süden zusätzliche Einsätze fossiler Kraftwerke nötig sind.

 

Europäische Vorgaben

Eine weitere Folge dieser Stromhandels-Praxis ist, dass es zu unkontrollierten Ringflüssen über die grenzüberschreitenden Leitungen zu den Nachbarländern Deutschlands kommt. Dabei werden diese grenzüberschreitenden Leitungen zu einem großen Teil blockiert. Deshalb sind sie nicht mehr ausreichend für kontrollierte Lieferungen verfügbar, die im europäischen Großhandel vereinbart werden können.

Diese Engpässe für den europäischen Stromhandel will die Europäische Kommission abbauen. Sie hat den Mitgliedsstaaten die Aufgabe gestellt, die grenzüberschreitenden Leitungen überwiegend für kontrollierte Lieferungen und damit als Handelskapazität verfügbar zu machen. Bis zum Jahresende 2025 soll eine Handelskapazität von 70 Prozent der Übertragungsleistung erreicht werden.

Die Übertragungsnetz-Betreiber arbeiten mit Maßnahmen des Netzengpass-Managements, mit Netzausbau und spezieller Steuerungstechnik daran, diese Handelskapazität auszubauen. Scheerer zufolge hatte sie im vergangenen Jahr 2023 einen Wert von 50 Prozent erreicht.

Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dass die Übertragungsnetz-Betreiber ihre Empfehlung für die Gebotszonen-Gestaltung bis zum Jahresende 2024 vorlegen. Das gleiche gilt für die Netzbetreiber in anderen Ländern der Europäischen Union. Danach müssen sich die Regierungen der Mitgliedsstaaten im Laufe des Jahres 2025 auf eine politische Entscheidung einigen.

 

Regionale Auswirkungen

Eine Aufteilung der deutsch-luxemburgischen Gebotszone würde sich regional unterschiedlich auswirken. In Nord- und Ostdeutschland wäre durch das hohe Stromangebot mit etwas niedrigeren Großhandelspreisen zu rechnen. In Süddeutschland würde ein geringeres Stromangebot bei großer Nachfrage zu etwas höheren Preisen führen.

Diese Preisunterschiede bleiben allerdings wohl überschaubar. Eine Studie des Instituts Aurora Research kam zu dem Ergebnis, dass dadurch die Industriestrompreise im Süden um bis zu drei Prozent steigen könnten. Das könnte durch jährliche Ausgleichszahlungen von 400 Millionen Euro ausgeglichen werden.

Auf der anderen Seite steht, dass der Betrieb der Übertragungsnetze deutlich einfacher wird: Die Netzengpässe müssen nicht mehr durch ein aufwendiges Engpassmanagement ausgeglichen werden. Der technische Aufwand für dieses Management war zuletzt weiter gestiegen, und der finanzielle Jahresaufwand lag bei 3,1 Milliarden Euro.

 

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