In Ost- und Norddeutschland wird immer mehr erneuerbarer Strom erzeugt, der nach Süden und Westen transportiert werden soll. Dabei entstehen zunehmend große Transport-Engpässe, die mit Redispatch und ähnlichen Maßnahmen überbrückt werden. Der Aufwand dafür wächst weiter.

 

Umspannwerk Röhrsdorf bei Chemnitz. Archivfoto 2018: Stefan Schroeter

Die Engpässe im deutschen Stromnetz haben im vergangenen Jahr 2023 weiter zugenommen. Deshalb ist auch erneut der technische Aufwand dafür gestiegen, die Engpässe auszugleichen und das Netz stabil zu halten. Die zuletzt sehr hohen Kosten für dieses Netzengpass-Management sind dagegen wieder etwas gesunken.

Das geht aus einem Bericht der Bundesnetzagentur zum vierten Quartal 2023 hervor, der auch vorläufige Zahlen zum gesamten Jahr enthält. Darüber hatte zunächst der Spiegel berichtet. In dem Bericht werden die Gesamtkosten für alle Netzengpass-Managementmaßnahmen für 2023 mit 3,1 Milliarden Euro beziffert. Im Jahr 2022 hatten sie mit 4,2 Mrd. Euro ihren bisherigen Höchststand erreicht.

Dieser Rekord kam zum einen dadurch zustande, dass der technische Aufwand gewachsen war, um die Netzengpässe zu bewältigen. Zum anderen waren in dieser Zeit auch die dafür eingesetzten Energieträger Kohle, Gas und Erdöl besonders teuer.

 

Mehr Strom für die Netzengpässe

Der technische Aufwand ist zwar auch im Jahr 2023 weiter gestiegen: Die Bundesnetzagentur beziffert das damit verbundene Maßnahmenvolumen mit einer Strommenge von 34.300 Gigawattstunden. Im Jahr zuvor waren es noch 32.800 GWh gewesen.

Die Preise für die eingesetzten Energieträger sind inzwischen wieder deutlich gesunken. Deshalb ging der finanzielle Aufwand für das Netzengpass-Management im Jahr 2023 wieder zurück.

Dennoch liegt er immer noch weit über den Werten früherer Jahre: 2019 waren dafür noch 2,3 Mrd. Euro fällig gewesen, nachdem 2018 noch 1,3 Mrd. Euro ausreichten. Diese Kosten fließen in die Netzentgelte der Stromkunden ein, die sie mit ihrer Stromrechnung bezahlen.

Das zunehmend umfangreiche Netzengpass-Management ist vor allem deshalb notwendig, weil Solar- und Windparks verstärkt in Nord- und Ostdeutschland gebaut werden. Der dort erzeugte Solar- und Windstrom kann aus mehreren strukturellen Gründen nur begrenzt in den dortigen Regionen verbraucht werden.

Er müsste deshalb zu einem großen Teil in die süd- und westdeutschen Stromverbrauchs-Zentren transportiert werden. Dafür reichen die bestehenden Strom-Transporttrassen in den überregionalen Übertragungs- und regionalen Verteilnetzen allerdings nicht aus. Es kommt oft zu Engpässen.

 

Virtueller Stromtransport

Diese Engpässe werden mit mehreren Maßnahmen überbrückt. Die wichtigste davon ist der sogenannte Redispatch. Das ist ein virtueller Stromtransport über einen Leitungsengpass, wenn im einheitlichen deutschen Großhandel mehr Strom verkauft worden ist, als über die vorhandenen Leitungen transportiert werden kann.

Dabei fahren sogenannte Marktkraftwerke vor dem Engpass ihre Stromeinspeisung herunter. Hinter dem Engpass regeln gleichzeitig andere Marktkraftwerke ihre Stromeinspeisung hoch. Reichen die dafür eingesetzten in- und ausländischen Marktkraftwerke dafür nicht aus, kommen in- und ausländische Reservekraftwerke zum Zug.

Für diese Aktionen erhalten die Betreiber der Markt- und Reservekraftwerke spezielle Vergütungen. Unterstützt wird diese Praxis auch noch durch geeignete Börsengeschäfte im Stromgroßhandel, die im Fachenglisch unter „Countertrading“ laufen.

 

Fossilstrom ersetzt Grünstrom

Dieses Netzengpass-Management ist nicht nur mit hohen und tendenziell wachsenden Kosten verbunden. Der Redispatch führt auch dazu, dass zunehmend die Stromeinspeisung aus nord- und ostdeutschen Solar- und Windparks reduziert wird, die sich vor den Netzengpässen befindet. Im Jahr 2023 wurden auf diese Weise 10.000 GWh Grünstrom abgeregelt.

Hinter den Engpässen wird diese reduzierte Stromeinspeisung dann ausgeglichen, indem fossile Kohle- und Gaskraftwerke gleichzeitig ihre Stromeinspeisung hochfahren. Dadurch entstehen zusätzliche Kohlendioxid-Emissionen.

Um die Stromtransport-Engpässe abzubauen, setzen Bundesregierung und Übertragungsnetz-Betreiber vor allem auf den Ausbau der großen Strom-Transportleitungen. Die Bundesnetzagentur arbeitet derzeit auch an einer Netzentgelt-Reform. Sie soll zu Strompreis-Entlastungen in Regionen mit viel erneuerbarer Stromproduktion führen, wo die Netzentgelte oft besonders hoch sind.

In Fachkreisen wird außerdem diskutiert, dass die bisher einheitliche Stromgebotszone im Strombörsen-Großhandel für Deutschland und Luxemburg aufgeteilt werden könnte. Dann wäre es möglich, dass in Regionen mit Stromüberschüssen etwas niedrigere Strompreise entstehen und den regionalen Verbrauch von erneuerbaren Überschüssen befördern.

 

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