Verzögerungen beim Stromnetz-Ausbau können nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministers dazu führen, dass die Bundesnetzagentur kleinere Strombörsen-Preiszonen festlegt. Die Strompreise in Süddeutschland wären dann höher als in anderen Bundesländern.


Ein verzögerter Ausbau der geplanten Starkstromleitungen kann sich nach Ansicht von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erheblich auf den börslichen Strom-Großhandel auswirken. Sollte der Netzausbau dem Zubautempo erneuerbarer Energien in den nächsten Jahren nicht folgen können, werde es Gebiete mit einer Strom-Überversorgung geben, sagte Gabriel gestern bei einem Besuch der Energiebörse EEX European Energy Exchange in Leipzig. Andererseits werde dann in Süddeutschland – also in Bayern und Baden-Württemberg – zu wenig Strom verfügbar sein. Die damit verbundenen Engpässe könnten die Bundesnetzagentur dann zur Aufgabe der derzeit bestehenden einheitlichen Preiszone für Deutschland und Österreich bewegen, warnte er.

Mit Blick auf die bayerischen Proteste gegen den Bau der sogenannten Südost-Gleichstromleitung sagte der Minister: „Ich glaube nicht, dass es im Interesse der bayerischen Wirtschaft sein kann, eine eigene Preiszone in Süddeutschland zu bekommen, weil diese Preiszone höhere Strompreise bedeuten würde als im Rest der Republik.“ Gabriel setzte sich deutlich dafür ein, den Netzausbau auf eine für die Bevölkerung akzeptable Weise voranzubringen und die einheitliche Preiszone zu erhalten. Er bezeichnete es als einen Mythos, dass keine zentralen Leitungen gebraucht würden und dass es reiche, dezentrale Energieversorgung zu betreiben.

Auch EEX-Vorstandschef Peter Reitz sprach sich dagegen aus, die deutsch-österreichische Preiszone aufzuteilen. „Das geht nach unserer Ansicht komplett in die falsche Richtung“, sagte er. Vielmehr sollte es ein mittelfristiges Ziel sein, Preiszonen zu vergrößern. Reitz schlug vor, eine Preiszone für den mittel- und westeuropäischen Raum einzuführen. Sie könne die Marktgebiete von Deutschland, Österreich, Holland, Belgien und Frankreich umfassen. Dafür sei der Netzausbau eine wesentliche Voraussetzung.

Die deutschen Übertragungsnetzbetreiber planen derzeit mehrere neue Starkstromtrassen, um die in Nord- und Ostdeutschland stark wachsenden Ökostrom-Mengen nach Süddeutschland zu transportieren. Dort sollen bis 2022 noch einige Atomkraftwerke abgeschaltet werden, deren Stromproduktion ersetzt werden muss. Der Windkraft-Ausbau kommt in dieser Region allerdings weit langsamer voran als in anderen Bundesländern. Aufgrund der einheitlich niedrigen Strom-Großhandelspreise können hier auch Gaskraftwerke nicht marktgerecht betrieben werden. Dennoch gibt es in der bayerischen Bevölkerung einen starken Widerstand gegen den Bau von Starkstromleitungen, die den künftigen Importbedarf decken könnten.

Auf welchen starken Widerstand der Bau einer Starkstromleitung in der Bevölkerung stoßen kann, zeigt das Beispiel der Südwest-Kuppelleitung, die der ostdeutsche Übertragungsnetz-Betreiber 50Hertz und sein in Bayern aktiver Partner Tennet durch den Thüringer Wald bauen wollen. Die Planungen dafür begannen schon in den 90er Jahren, doch auf Thüringer Seite konnte bisher nur der erste Abschnitt fertiggestellt werden.

Gegen die Baugenehmigung für den zweiten Abschnitt haben die Leitungsgegner zunächst vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt. Nachdem diese Klage abgewiesen wurde, legten sie eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht ein, über die dort noch nicht entschieden wurde. Für den dritten Leitungsabschnitt, der über die Thüringer Landesgrenze nach Bayern führen soll, läuft derzeit noch das Planfeststellungs-Verfahren. Wenn 50Hertz hier in einigen Monaten das Baurecht erhalten sollte, muss das Unternehmen wieder mit einer Klage und den damit verbundenen Verzögerungen rechnen.


    


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