Die stark steigenden Energiepreise bringen viele Unternehmen in Schwierigkeiten. Wer seine Strom- und Wärmeversorgung rechtzeitig auf erneuerbare Energien umgestellt hat, ist weniger stark betroffen. Bisher skeptische Mittelständler sind nun aufgewacht.
Solartracker bei Dr. Födisch Umweltmesstechnik. Die drehbaren Solaranlagen folgen dem Tageslauf der Sonne. Foto: Stefan Schroeter
Die drehbaren Solarstrom-Anlagen an der Einfahrt zum Unternehmensgelände sind schon von der Straße aus gut sichtbar. Die Auto-Parkplätze haben Solardächer, ebenso wie fast alle Gebäude bei der Dr. Födisch Umweltmesstechnik in Markranstädt bei Leipzig. Zuletzt ist hier eine Fertigungshalle neu gebaut worden. Selbstverständlich hat sie auch ein Solardach bekommen, später soll sie noch mit Stromspeichern ausgerüstet werden.
Mit seiner eigenen Strom- und Wärmeerzeugung kann das Markranstädter Unternehmen seinen Energiebedarf zu einem großen Teil selbst decken. Von den stark steigenden Energiepreisen der letzten Zeit ist es daher weniger stark betroffen als andere.
Unter dem Solardach der neuen Fertigungshalle hielt die VEE Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien Sachsen am Freitag ihre Jahrestagung ab. Hier konnte Geschäftsführer Holger Födisch über weitere Ausbaupläne berichten: Gleich nebenan steht noch eine Industrieruine – ein Braunkohlebunker aus früheren Zeiten. Sie soll ausgebaut und im unteren Teil mit weiteren Strom- und Wärmespeichern ausgerüstet werden. Im oberen Teil sind Büro- und Veranstaltungsräume geplant.
Skeptiker wollen nun Solar-Großprojekte
Beim Ausbau seiner Energieanlagen arbeitet der Messgeräte-Hersteller mit dem Ingenieurunternehmen Efa Leipzig zusammen. Efa hat inzwischen auch schon einige weitere Unternehmen mit Anlagen für erneuerbare Energien ausgerüstet. Bei manchen Mittelständlern ist Geschäftsführerin Petra Krüger mit diesem Thema allerdings auch noch lange auf große Skepsis gestoßen. Das hat sich zuletzt bei stark steigenden Energiepreisen deutlich geändert: Diese Kunden seien aufgewacht, sagte Krüger. Inzwischen gebe es Solar-Großprojekte von Firmen, die so etwas früher nie angefasst hätten.
Gerade noch rechtzeitig gehandelt hat wohl der Wurzener Anlagenbauer Cryotec, der im Mai eine größere Fotovoltaik-Anlage in Betrieb genommen hatte. Heute sei sie sehr froh darüber, bekannte Geschäftsführerin Corinne Ziege. Dennoch gehen die steigenden Energiepreise nicht spurlos an dem Unternehmen vorbei; denn es braucht für seine Produktion auch das zunehmend teure Erdgas. Dazu kommt, dass Vorlieferanten wichtige Komponenten nicht mehr liefern können.
Als Vizepräsidentin der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig kennt Ziege auch die Gesamtsituation: Jedes zehnte Unternehmen fahre derzeit die Produktion herunter oder stoppe sie ganz. Einen Ausweg sieht sie darin, den Ausbau der erneuerbaren Energien schneller voranzubringen. Dazu müssten die Genehmigungsverfahren vereinfacht werden.
Acht Jahre für ein Windpark-Projekt
Wie wichtig das ist, zeigt ein Blick auf den Windpark Sitten bei Leisnig. Hier sind am Sonnabend zwei neue Windräder mit je 6 Megawatt Spitzenleistung in Betrieb genommen worden. Wie der Windenergie-Experte Hans-Jürgen Schlegel berichtete, hatten die Betreiber dieses Projekt schon im Jahr 2014 begonnen. Planung, Genehmigung, Lieferung und Errichtung der Anlagen zogen sich dann über acht Jahre hin.
In Sachsen hatte die Windkraft in den vergangenen Jahren bekanntlich einen besonders schweren Stand. Zuletzt hatte es sogar einen Rückbau gegeben. Schlegel zufolge könnten nun im laufenden Jahr 2022 wieder zwölf Windenergie-Anlagen gebaut werden. Sechs davon sind bereits in Betrieb gegangen. Der Experte hält allerdings eine vielfach größere Ausbau-Geschwindigkeit für nötig, damit Sachsen seine selbst gesteckten Energie- und Klimaziele erreichen kann.
An den Rahmenbedingungen dafür arbeitet unter anderem Gerd Lippold (Bündnis90/Grüne), Staatssekretär im Smekul Staatsministerium für Energie, Klima, Umwelt und Landwirtschaft. Dabei verspürt er inzwischen einen starken Rückenwind der Bundesregierung, die Flächenziele für den Ausbau der Windkraft in den einzelnen Bundesländern vorgegeben hat. Lippold zufolge geht das Bundesziel für Sachsen dabei deutlich weiter als die bisherigen sächsischen Ausbauziele. Er rechnet damit, dass der Bund dieses Flächenziel auch durchsetzen wird, wenn Sachsen es nicht von selbst erreicht.
Lippold zufolge bereitet Sachsens Regierung derzeit neue Instrumente vor, um den Windkraft-Ausbau voranzubringen: Gemeinden sollen künftig über die Bauleitplanung selbst entscheiden können, wo sie Windparks haben wollen. Diese Regelung wird im parlamentarischen Verfahren des Landtags vorbereitet. Künftig soll es auch möglich sein, Windräder im Wald zu bauen. Darüber wollen demnächst die Regierungsparteien in einem Koalitionsausschuss beraten. Einen Lichtblick sieht Lippold beim Ausbau der Sonnenstrom-Erzeugung: Im Südraum von Leipzig soll ein riesiger Solarpark mit 650 Megawatt Spitzenleistung errichtet werden – der größte in Europa.
„LNG-Geschwindigkeit“ erwünscht
Der Ausbau erneuerbarer Energien ist in Sachsen sicher besonders schwierig. „Reformstau und bürokratische Hindernisse“ sieht Simone Peter aber auch anderswo. Die Vorsitzende des Bundesverbandes Erneuerbare Energien berichtete, dass derzeit Windenergie-Projekte mit 10 Gigawatt Spitzenleistung fertig geplant seien und nur noch auf die Genehmigung warteten. Diese Projekte müssten so schnell wie möglich durch die Genehmigungsverfahren. Als Vorbild dafür sieht Peter die superschnellen Verfahren, mit denen die Behörden derzeit den Bau von Terminals für Flüssigerdgas (Englisch: Liquefied Natural Gas – LNG) genehmigen. Eine solche „LNG-Geschwindigkeit“ wünscht sie sich auch bei Anlagen für erneuerbare Energien.