Steckerfertige Solarstromgeräte bieten den Bewohnern von Mehrfamilienhäusern eine einfache Möglichkeit, selbst klimafreundlichen Strom für den Eigenbedarf zu erzeugen. Doch wer sich dabei an alle Regeln halten will, steht in Leipzig und anderswo immer noch vor einem Hürdenlauf.

Hochhaus mit Balkonen 2018 gross

Auf Leipziger Balkonen wäre noch viel Platz für kleine Solaranlagen. Archivfoto 2018: Stefan Schroeter


In Leipzig sind steckerfertige Solarstromgeräte für den Balkon noch sehr selten. Ihre Zahl liege im unteren zweistelligen Bereich, teilte Netz Leipzig auf Anfrage mit. Die gesamte maximale Erzeugungsleistung bewege sich bei 10 Kilowatt. Welche gesamte Strommenge sie im Jahr 2019 erzeugt haben, ist dem Betreiber des Leipziger Stromnetzes nicht bekannt. Er geht jedenfalls davon aus, dass der erzeugte Balkon-Solarstrom vollständig von den jeweiligen Betreibern verbraucht worden ist. Eine Einspeisung ins Leipziger Stromnetz habe es nicht gegeben.

 

Steckerfertige Solarstromgeräte für den Balkon bieten den Bewohnern von Mehrfamilienhäusern eine einfache Möglichkeit, selbst klimafreundlichen Strom für den Eigenbedarf zu erzeugen. Sinnvoll ist das vor allem dann, wenn dieser Strom tagsüber weitgehend im eigenen Haushalt oder am Heim-Arbeitsplatz verbraucht werden kann. Denn Solarstrom wird nur bei Tageslicht erzeugt, besonders bei Sonnenschein.

 

Um diese dezentrale Nutzung von Sonnenstrom zu erleichtern, sind die technischen und administrativen Vorschriften für steckerfertige Solarstromgeräte bis 600 Watt Spitzenleistung in den vergangenen Jahren stark vereinfacht worden. Bisher werden sie aber von den verschiedenen beteiligten Organisationen und Netzbetreibern noch sehr unterschiedlich ausgelegt.

 

Sicherer Anschluss

So halten es die DGS Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie und der VZB Verbraucherzentrale Bundesverband für ausreichend sicher, wenn ein steckerfertiges Solarstromgerät mit einem Schukostecker und einer Schuko-Steckdose an das Haushalts-Stromnetz angeschlossen wird. Wenn es auf dem Balkon schon eine Schuko-Steckdose gibt, kann das jeder Heimwerker einfach selbst übernehmen. Dabei sollte das Solarstromgerät den DGS-Sicherheitsstandard einhalten.

 

Viele Netzbetreiber wie Netz Leipzig und ihr Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik (VDE ) stellen dagegen deutlich höhere Anforderungen an die Sicherheit. Sie bestehen darauf, dass eine solche „Erzeugungsanlage am Niederspannungsnetz“ über eine spezielle Energiesteckdose angeschlossen wird. Sie muss zuvor durch einen eingetragenen Elektroinstallateur nach den anerkannten Regeln der Technik installiert worden sein. Alternativ kann die Anlage auch von einem solchen Fachmann fest mit dem Stromnetz verbunden werden. Für den Anwender bedeutet das allerdings in beiden Fällen, dass der Einbau einer Balkon-Solaranlage deutlich aufwändiger wird.

 

Anmeldung beim Netzbetreiber

Unterschiedliche Auffassungen gibt es auch bei der Frage, wie so ein kleiner Stromerzeuger beim jeweiligen Netzbetreiber angemeldet werden muss. DGS bietet dafür einen einfachen Musterbrief an, den auch der VZB für vollkommen ausreichend hält. Unterstützung bei der Anmeldung bietet ebenso das Internet-Portal MachdeinenStrom.de an.

 

Netz Leipzig hält inzwischen ein Formular für die „Anmeldung einer ‚steckerfertigen Erzeugungsanlage‘ bis 600 VA“ bereit. Es ist allerdings immer noch deutlich komplizierter als das DGS-Formular und enthält mehrere Formulierungen, die sich für Balkonsolar-Interessenten als Hindernisse erweisen können. Dazu gehört die Verpflichtung, die spezielle Energiesteckdose zu installieren. Außerdem sollen die Anwender bestätigen, dass sie die Erzeugungsleistung ihrer kleinen Anlage auf 70 Prozent begrenzen. Eine weitere Forderung ist, den Stromverbrauchs-Zähler gegen einen Zwei-Richtungszähler wechseln zu lassen.

 

Leistungs-Begrenzung

Bei näherer Betrachtung haben sich zu diesen Punkten mehrere Fragen ergeben, die Netz Leipzig auf Anfrage inzwischen auch beantwortet hat. So heißt es zur Begrenzung der Erzeugungsleistung im Antragsformular:

„Die maximale Erzeugungsleistung wird mit Hilfe geeigneter technischer Maßnahmen auf 70% begrenzt. Der schriftliche Nachweis wird dem Anlagenzertifikat beigefügt.“

Doch aus welchem Grund hält Netz Leipzig es für notwendig, die maximale Erzeugungsleistung eines kleinen Solarstromgeräts, das dem Eigenverbrauch dient und nur kleine Überschuss-Strommengen ins Netz speist, mit Hilfe geeigneter technischer Maßnahmen auf 70% zu begrenzen?

Diese Frage beantwortet Netz Leipzig mit einer Bestimmung im Erneuerbare Energien Gesetz:

„Die Netz Leipzig setzt hier für alle Erzeugungsanlagen die gesetzlichen Vorgaben diskriminierungsfrei um. Laut § 9 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EEG 2017 müssen Betreiber von Solaranlagen, und darunter fallen auch die steckerfertigen PV-Anlagen, am Verknüpfungspunkt ihrer Anlage mit dem Netz die maximale Wirkleistungseinspeisung auf 70 Prozent der installierten Leistung begrenzen.“

 

Nun können Solarstromgeräte für den Balkon ohnehin oft nicht so montiert werden, dass sie 100 Prozent ihrer projektierten Spitzenleistung erreichen. Viele Balkons zeigen nicht genau nach Süden, was ideal für den Solarstrom wäre. Gut für die Stromausbeute wäre es auch, wenn die Solarmodule eine horizontale Neigung von 30 Grad haben würden. Oft werden sie aber auch einfach nur senkrecht am Balkon angebracht. Durch diese technischen Einschränkungen wird die maximale Erzeugungsleistung der Anlage mitunter bereits auf unter 70 Prozent begrenzt. Wäre das schon eine „geeignete technische Maßnahme“ im Sinne des Anmeldeformulars?

Die Antwort von Netz Leipzig darauf fällt nicht eindeutig aus:

„Um eine technische Maßnahme handelt es sich bei der von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahme nicht, auch wenn möglicherweise die vom Gesetzgeber gewünschte Folge auch auf diese Weise erreicht werden kann. Wir benötigen in jedem Falle vom Anlagenbetreiber eine Erklärung, dass die Anlage auf 70 Prozent der installierten Leistung dauerhaft technisch begrenzt wird. Wird das mit der vorgeschlagenen Maßnahme nicht erreicht, besteht unter anderem das Risiko, dass eventuell erhaltene Vergütungszahlungen vom Anlagenbetreiber später zurückgezahlt werden müssen.“

 

Dieses Risiko erscheint eigentlich als tragbar, da die Betreiber der Balkon-Solargeräte ohnehin meistens auf die geringfügige Vergütung für die kleinen eingespeisten Strommengen verzichten. Das Anmeldeformular von Netz Leipzig verlangt diesen Verzicht sowieso:

„Der erzeugte Strom wird selbst verbraucht. Für eventuell in das Netz eingespeisten Strom wird ein auf 0 Ct/kWh verringerter Zahlungsanspruch geltend gemacht.“

 

Aber können sich aus dieser 70-Prozent-Regel auch noch andere Probleme ergeben? Das erscheint zumindest beim Blick auf eine weitere Verpflichtung denkbar, die der Anmelder in dem Formular ebenfalls mit unterschreiben soll:

„Ich bin mir darüber bewusst, dass ich bei Nichteinhaltung der vorbenannten Punkte die steckerfertige Erzeugungsanlage nicht betreiben darf und werde in diesem Fall dafür sorgen, dass eine Stromerzeugung nicht erfolgt.“

Was könnte nun also passieren, wenn Netz Leipzig zu der Ansicht kommen sollte, dass eine Balkonsolar-Anlage zeitweise mit mehr als 70 Prozent ihrer maximalen Erzeugungsleistung betrieben wird? Kann Netz Leipzig dann verlangen, dass die Anwenderin ihre Anlage ganz abschaltet und keinen Strom mehr erzeugt?

Die Antwort des Netzbetreibers fällt hier nicht ganz eindeutig aus:

„Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass der Anlagenbetreiber sich an seine Versicherung hält. Tut er dies nicht, drohen ... rechtliche Konsequenzen.“

 

Auf Nachfrage listet der Netzbetreiber auch eine Reihe rechtlicher Konsequenzen auf, mit denen ein Anwender rechnen muss, wenn er auf seinem Balkon ein steckerfertiges Solarstromgerät anschließt, das nicht den Vorstellungen von Netz Leipzig entspricht. Außerdem behält sich das Unternehmen eine besonders eingreifende Maßnahme vor, die es so beschreibt:

„Trennung der steckerfertigen Erzeugungsanlage und damit ggf. der Kundenanlage vom Netz bei konkreten Gefahren für die technische Sicherheit, für Leib und Leben, …“

Im ungünstigsten Fall würde der Kundin und Balkonsolar-Anwenderin also der Strom abgestellt. In diesem Fall müsste sie wohl eine Zeitlang bei Kerzenlicht leben oder ihre Stromversorgung auf einen Solar-Inselbetrieb umstellen. Aber das wäre schon wieder ein neues, ebenfalls sehr anspruchsvolles Thema ...

 

Zweirichtungs-Zähler

Als weit weniger problematisch erscheint dagegen die Verpflichtung aus dem Anmeldeformular, den Stromzähler zu wechseln. Normalerweise setzt der Netzbetreiber bei seinen Kunden, die nur Strom verbrauchen und nicht selbst erzeugen, nur Verbrauchszähler ein. Wenn sie nun auch selbst Strom erzeugen und teilweise ins Netz einspeisen, möchte Netz Leipzig messen können, wie groß diese eingespeisten Strommengen sind. Deshalb enthält das Anmeldeformular die folgende Formulierung:

„Mein Zähler soll - sofern nicht bereits vorhanden - von der Netz Leipzig GmbH auf einen Zähler mit Erfassung beider Energierichtungen gewechselt werden.“

 

Daraus ergibt sich für den Anwender natürlich die Frage, ob ihm durch diesen Zählerwechsel einmalige Kosten oder dauerhaft höhere Kosten entstehen. Die Antwort des Netzbetreibers gibt hier Entwarnung:

„Ein Zählerwechsel wegen Inbetriebnahme einer Erzeugeranlage ist für den Anlagenbetreiber kostenneutral, und auch die jährlichen Kosten für den Messstellenbetrieb bleiben nach dem Zählertausch identisch. Ein Zählerwechsel wegen Inbetriebnahme einer Erzeugeranlage ist für den Anlagenbetreiber kostenneutral, und auch die jährlichen Kosten für den Messstellenbetrieb bleiben nach dem Zählertausch identisch.“

Als jährliche Kosten für den Messstellenbetrieb von modernen Stromzählern berechnet Netz Leipzig derzeit 16,81 Euro netto. In den nächsten drei Jahren soll sich daran auch nichts ändern. Diese Kosten fließen in den Grundpreis ein, die ein Stromkunde an seinen Stromversorger zahlt.

 

Weitere Hürden

Die Anmeldung beim Netzbetreiber ist wahrscheinlich die größte verwaltungstechnische Hürde für Balkonsolar-Stromerzeuger, aber nicht die einzige. Notwendig ist auch eine Anmeldung im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur. Bewohner von Miet- oder Eigentumswohnungen brauchen außerdem die Zustimmung des Vermieters oder der Eigentümergemeinschaft. Wer in einem denkmalgeschützten Gebäude wohnt, muss zusätzlich noch die Genehmigung der zuständigen Denkmalschutzbehörde einholen.

 

Schätzungen zufolge gibt es europaweit mindestens 200.000 Balkon-Solaranlagen. In Deutschland sollen es 40.000 sein. Genaue Zahlen sind wahrscheinlich schwierig zu ermitteln. Denn in den vergangenen Jahren haben viele Anwender ihre Geräte erst gar nicht angemeldet, um die beschriebenen verwaltungstechnischen Schwierigkeiten zu vermeiden. Deshalb ist diese dezentrale Solartechnik zunächst auch als „Guerilla-Fotovoltaik“ bekannt geworden.

 

Inzwischen hat sich die Situation zumindest teilweise und auch regional unterschiedlich geändert. Die bekannt solarfreundliche Stadt Freiburg im badischen Breisgau hat schon ein Förderprogramm für die kleinen Stromerzeuger aufgelegt. In Rheinland-Pfalz hat das Energieministerium eine finanzielle Unterstützung für „Balkonsteckmodule“ angekündigt. Neuerdings wird in der Branche sogar gemunkelt, dass ein Netzbetreiber in Nordrhein-Westfalen ein neues Geschäftsfeld plant: Demnach will er seinen Kunden anbieten, ihnen Balkon-Solaranlagen zu einem gehobenen Preis zu verkaufen. Dann dürfte wohl auch die Anmeldung recht einfach sein.


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