Um einen Brennstoffzellen-Pkw mit umweltfreundlichem Wasserstoff zu betanken, müssen ihre Fahrer derzeit noch große Umwege in Kauf nehmen. Mit einer neuen Anlagentechnik für die dezentrale Produktion von Wasserstoff und kleine Tankstellen könnte sich das ändern.
Zum Forum in Bitterfeld-Wolfen war ein Brennstoffzellen-Pkw aus Berlin angereist. Diese Strecke ist ohne Tankstopp zu schaffen. Foto: Stefan Schroeter
Die Fahrer von Brennstoffzellen-Pkw sind in Berlin mit vier Wasserstoff-Tankstellen schon vergleichsweise gut versorgt. Doch wenn sie nach Süddeutschland fahren wollen, führt sie ihr Weg erst einmal nach Nordwesten. Denn die nächsten drei Wasserstoff-Tankstellen, die sie mit der üblichen Reichweite von 500 Kilometern sicher ansteuern können, befinden sich in Hamburg. Erst von dort aus ist der weitere Weg nach Süden gesichert: Tankstellen für den Schadstoff-freien Kraftstoff stehen in Düsseldorf und Wuppertal, in Karlsruhe, Stuttgart und München. Südlich und westlich von Berlin dagegen ist die Tankstellen-Allianz „H2 Mobility“ (Deutsch: Wasserstoff-Mobilität), die bis 2019 bundesweit 100 Stationen errichten will, bisher noch nicht in einer gut erreichbaren Entfernung aktiv geworden.
Möglicherweise kann diese große Lücke in absehbarer Zeit geschlossen werden. Bis ein bundesweit flächendeckendes Netz von Wasserstoff-Tankstellen entsteht, dürfte es allerdings noch lange dauern. In solchen Lücken sieht Joachim Löffler eine Chance für dezentrale Wasserstoff-Produktionsanlagen und -Tankstellen. Löffler ist Geschäftsführer des Thüringer Sondermaschinenbauers Kumatec in Neuhaus-Schierschnitz. Gemeinsam mit mehreren Partnerunternehmen arbeitet er an einer Anlagenkombination, die aus elektrischem Strom kleine Mengen Wasserstoff erzeugen und speichern sowie Brennstoffzellen-Fahrzeuge betanken kann. Der Strom sollte möglichst aus Solar- oder Windkraft stammen, damit der Wasserstoff ohne Schadstoff-Ausstoß erzeugt werden kann.
Auch den Sauerstoff verwerten
Das Konzept dafür präsentierte Löffler gestern beim Forum der Wasserstoff-Forschungsinitiative Hypos in Bitterfeld-Wolfen. Es sieht vor, diese Anlagenkombination auf Standorten von Klärwerken zu errichten. Die Klärwerke könnten den Sauerstoff, der bei der Wasserstoff-Produktion als Nebenprodukt anfällt, für die Abwasserreinigung nutzen. Ein weiterer wirtschaftlicher Nutzen soll sich daraus ergeben, dass Wasserstoff und Sauerstoff bei Bedarf wieder in einem kleinen Motoren-Kraftwerk zu Strom verarbeitet werden. Wenn Löfflers Konzept aufgeht, könnten diese Anlagen künftig überall dort an Klärwerken aufgebaut werden, wo es Lücken im Netz der Wasserstoff-Tankstellen gibt.
Kumatec selbst hat dafür einen Hochdruck-Elektrolyseur mit einer Stromleistung von 10 bis 75 Kilowatt entwickelt, der Wasser in seine Grundelemente Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen kann. Die Wasserwerke des Nachbarorts Sonneberg betreiben eine Versuchs-Kläranlage, in der sie die Wirkung des Sauerstoffs bei der Abwasserreinigung untersuchen. Der hessische Kompressorenhersteller Sera hat eine kleine Wasserstoff-Tankstelle entwickelt, mit der Brennstoffzellen-Fahrzeuge betankt werden können. Und das Motorenforschungs-Zentrum WTZ Roßlau aus Sachsen-Anhalt stellt einen neuartigen Kreislaufmotor mit Generator, der aus Wasser- und Sauerstoff wieder Strom erzeugen soll. Weitere Partner sind der Stromversorgungstechnik-Entwickler Isle aus Ilmenau, die Licht- und Kraftwerke Sonneberg, die Bauhaus-Universität Weimar und das Fraunhofer-Center für Silizium-Fotovoltaik aus Halle/Saale. Diese Partner arbeiten im Forschungsprojekt „Local-Hy“ (Deutsch etwa: Wasserstoff vor Ort) zusammen, das als Hypos-Teilprojekt vom BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird.
Ein Kilogramm für 100 Kilometer
Wie Löffler berichtete, werden die einzelnen Komponenten der Anlage derzeit bei den jeweiligen Herstellern getestet. Bis Mitte 2017 sollen sie auf der Kläranlage aufgebaut und dann ein Jahr lang als Gesamtsystem erprobt und optimiert werden. Neben den technischen Herausforderungen müssen sich die Projektpartner auch den wirtschaftlichen Anforderungen stellen. Als Richtwert gilt der Wasserstoffpreis von 9 Euro pro Kilogramm, der an den bestehenden Tankstellen fällig ist. Der Kumatec-Geschäftsführer rechnet damit, dass ein Kilogramm für 100 Kilometer Fahrt in einem Brennstoffzellen-Pkw von Hyundai reicht. Um konkurrenzfähig zu sein, müsste „Local-Hy“ also den Wasserstoff zu einem etwa vergleichbaren Preis anbieten können. Das will Löffler schaffen: „Wir sind schon optimistisch, dass wir auf neun, zehn, zwölf Euro pro hundert Kilometer kommen.“
„Local-Hy“ ist eines der Hypos-Projekte, die am weitesten fortgeschritten sind. Die Forschungsinitiative Hypos war im Jahr 2014 mit dem Ziel gestartet, in Ostdeutschland eine Wasserstoff-Modellregion aufzubauen. Wie der Vorstandschef der Initiative, Joachim Wicke, berichtete, werden derzeit insgesamt acht Projekte mit einem Investitionsvolumen von 13 Mio. Euro umgesetzt. Zwölf weitere, 36 Mio. Euro schwere Projekte hatte der Hypos-Beirat bereits im Februar dem BMBF zur Förderung empfohlen und damals damit gerechnet, dass sie bis zur Jahresmitte an den Start gehen könnten.
Dass sie bisher noch nicht vom Ministerium genehmigt wurden, erklärte Wicke zum einen mit dem anspruchsvollen Antragsverfahren. Außerdem sei die Abstimmung zwischen den mitunter sehr unterschiedlichen Projektpartnern aus Wirtschaft und Wissenschaft nicht immer einfach. Der Hypos-Vorstandschef rechnet nun damit, dass die empfohlenen Projekte bis zur nächsten Beiratssitzung im Februar 2017 genehmigt werden können. Inzwischen werden weitere 16 Projekte in einem sogenannten Skizzenverfahren vorbereitet, die später einmal vom Beirat empfohlen und danach vom Ministerium genehmigt werden könnten.