Im Juli 2015 hatte es das Bundes-Verfassungsgericht abgelehnt, eine Verfassungsbeschwerde der Thüringer Leitungsgegner zur Entscheidung anzunehmen. Danach hätten sie sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden können, doch der Aufwand dafür erschien ihnen im Vergleich zum möglichen Nutzen als zu hoch.


Die Gegner der Südwest-Kuppelleitung haben sich dagegen entschieden, den Streit vor dem EGMR Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg (Straßburg) fortzusetzen. Bis Ende Januar hätten sie beim EGMR eine Beschwerde gegen den Beschluss des BVFG Bundes-Verfassungsgerichts vom Juli 2015 einreichen können, mit dem ihre Verfassungsbeschwerde vom November 2013 nicht zur Entscheidung angenommen worden war. Der Münchner Rechtsanwalt Tillo Guber, der die Leitungsgegner bei der BVFG-Beschwerde vertrat, hatte bereits Anfang Februar auf Anfrage mitgeteilt, dass er nicht mit einer Beschwerde beim EGMR beauftragt worden sei.

Inzwischen hat sich auch das Büro der Landrätin des Thüringer Ilm-Kreises, Petra Enders, die als prominenteste Gegnerin der Höchstspannungsleitung gilt, zu dem Thema geäußert. Hier ist ebenfalls nichts über eine solche Beschwerde bekannt. Die Verwaltung des Ilm-Kreises hatte selbst noch im Dezember 2015 die rechtlichen Möglichkeiten dafür geprüft, sich dann aber dagegen entschieden. Letztlich sei aufgrund einer Abwägung zwischen Aufwand und Nutzen entschieden worden, teilte Büroleiterin Ute Bönisch nun mit. Zum einen hätte es Jahre bis zu einer Entscheidung gebraucht, ohne dass der Leitungsbau aufgehalten worden wäre. Zum anderen wäre mit umfassenden Kosten für das Rechtsverfahren zu rechnen gewesen.

 

Ungleichgewicht

Nach Bönischs Ansicht zeigt sich hier ein gravierendes Ungleichgewicht. Einzelne Bürger und auch Kommunen könnten solche Verfahren kaum realisieren und damit ihre Rechte durchsetzen, wenn die Verfahrensgegner dabei Energiekonzerne mit personell und finanziell gut ausgestatteten Rechts- und Fachabteilungen seien. „Hier bräuchte es dringend Änderungen im Planungsrecht. Zum Beispiel, dass der Vorhabensträger verpflichtet wird, auch Kosten der Gegenseite zu übernehmen“, argumentierte die Büroleiterin der Landrätin.

Welche Kosten durch eine Beschwerde beim EGMR voraussichtlich entstanden wären, konnte Bönisch allerdings auch in einer ungefähren Größenordnung nicht beziffern. Dazu hätte ein Rechtsanwalt engagiert werden müssen, der mit EGMR-Verfahren vertraut ist und entsprechend hohe Honorare abrechnen würde. Auch für die Verfahren, die von den Leitungsgegnern in den vergangenen Jahren schon geführt worden sind, gibt es bisher noch keine Übersicht über die angefallenen Kosten für Fachanwälte, Gutachter und Gerichte. Getragen wurden diese Kosten von Städten und Gemeinden, Bürgerinnen und Bürgern sowie Versicherungen.

 

Umstrittener Abschnitt

Die Südwest-Kuppelleitung, die auch als Thüringer Strombrücke bekannt ist, soll Strom mit der Höchstspannung von 380 Kilovolt aus Ostdeutschland durch den Thüringer Wald nach Bayern transportieren. Den ersten Abschnitt von Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt nach Erfurt-Vieselbach in Thüringen hatte der Übertragungsnetz-Betreiber 50Hertz bereits 2008 in Betrieb genommen. Für den zweiten Abschnitt, der von Vieselbach über 57 Kilometer nach Altenfeld im Thüringer Wald führt, wurde der Planfeststellungs-Beschluss im Januar 2012 erteilt. Dagegen hatten drei Grundstückseigentümer gemeinsam mit der Stadt Großbreitenbach vor dem BVWG Bundes-Verwaltungsgericht geklagt. Diese Klage war im Juli 2013 abgewiesen worden. Daraufhin hatten die Grundstückseigentümer im November 2013 die Verfassungsbeschwerde beim BVFG eingereicht, die dort schließlich nicht zur Entscheidung angenommen wurde.

50Hertz hatte nach dem BVWG-Urteil die schon zuvor begonnenen und zeitweise eingestellten Arbeiten am zweiten SWKL-Abschnitt fortgesetzt. Im Dezember 2015 ging das Teilstück in den Dauerbetrieb. Im Testbetrieb befindet sich derzeit der dritte Abschnitt, der sich vom Umspannwerk Altenfeld über 26 Kilometer bis zur bayerischen Landesgrenze erstreckt. Auf bayerischer Seite hatte der dortige Übertragungsnetz-Betreiber Tennet den vierten, 30 km langen Leitungsabschnitt zum oberfränkischen Umspannwerk Redwitz gebaut.


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