Durch einen Beteiligungstausch kann der Stuttgarter Energiekonzern die Aktienmehrheit an Verbundnetz Gas erwerben, die bisher vom Oldenburger Regionalversorger EWE gehalten wird. Der Einfluss der ostdeutschen Kommunen bei dem Leipziger Erdgashändler bleibt wegen des Streits um das Erfurter Aktienpaket weiterhin gefährdet.


Der Stuttgarter Energiekonzern EnBW wird neuer Mehrheitsaktionär des Leipziger Erdgashändlers VNG Verbundnetz Gas. Das ist das Ergebnis eines Beteiligungstausches, auf den sich EnBW, der Oldenburger Regionalversorger EWE und der ebenfalls dort ansässige Ems-Weser-Elbe Versorgungs- und Entsorgungsverband geeinigt haben. Dabei soll EWE seine VNG-Beteiligung von 74,21 Prozent an EnBW verkaufen. Im Gegenzug will EnBW seine EWE-Beteiligung von 26 % abgeben. Dabei kauft der EWE-Verband zeitlich gestuft bis zum Jahr 2019 insgesamt 16 % und EWE selbst 10 % der EWE-Anteile. Im Zuge der Transaktionen soll EnBW außerdem einen Barausgleich von insgesamt 125 Millionen Euro an EWE und EWE-Verband zahlen. Das sogenannte Closing, also den Vertragsabschluss, erwarten die Unternehmen innerhalb der nächsten sechs Monate. Dabei müssen auch die zuständigen Kartellbehörden noch zustimmen.

Wenn der Beteiligungstausch vollzogen wird, geht für VNG und seine kommunalen Aktionäre ein jahrelanges Tauziehen mit EWE zu Ende. Die Ursachen dafür reichen bis in das Jahr 2002 zurück. Damals setzte das Bundeswirtschaftsministerium mit einer Ministererlaubnis gegen eine Entscheidung des Bundeskartellamtes durch, dass der größte deutsche Energiekonzern Eon den größten deutschen Gasversorger Ruhrgas übernehmen konnte. Eine der Auflagen dabei war, dass Ruhrgas und Eon ihre VNG-Anteile an einen „strategischen Erwerber“ verkaufen. Als dieser strategische Erwerber trat damals der ehrgeizige Regionalversorger EWE auf, der zunächst VNG-Anteile von insgesamt 47,89 % kaufen konnte.

Gemeinsam wollten die Vorstände der beiden Unternehmen eine „fünfte Kraft“ auf dem deutschen Energiemarkt schaffen. Doch auf dem Weg dorthin zerstritten sich die Vorstände und Aktionäre von EWE und VNG. EWE versuchte nun, VNG-Anteile von kommunalen Aktionären aufzukaufen, um so zum Mehrheitsaktionär aufsteigen zu können und freiere Hand zu haben. Dabei geriet nebenbei die Sperrminorität der kommunalen Aktionäre in Gefahr, die für eine Verankerung des international aktiven Erdgashändlers in der ostdeutschen Energiewirtschaft sorgt.

VNG-Mehrheitsaktionär ist EWE mit mehreren Jahren Verzögerung tatsächlich im vergangenen Jahr 2014 geworden, als der langjährige Gegenspieler Wintershall den lukrativen Angeboten des Oldenburger Regionalversorgers nicht mehr widerstehen konnten und seine Anteile abgab. Die relative Eigenständigkeit, die sich VNG seit 1990 durch eine Gesellschafterstruktur von Minderheitsaktionären bewahren konnte, war damit Geschichte.

 

Kommunale Sperrminderheit

Weiterhin gefährdet bleibt die Sperrminderheit der kommunalen Aktionäre von derzeit 25,79 %, weil Erfurt mit seinem VNG-Anteil von 4,21 % kräftig Kasse machen will. Zwar haben die anderen kommunalen VNG-Aktionäre ein Vorkaufsrecht, und Leipzig ist prinzipiell zum Kauf zu einem moderaten Preis von 60 Mio. Euro bereit. Doch Erfurt verlangt, inzwischen gestützt auf ein unabhängiges Gutachten, mit 95 Mio. Euro einen hohen Preis, den Leipzig nicht akzeptieren will. Das berichteten zuletzt der Mitteldeutsche Rundfunk und die Leipziger Volkszeitung. Nun kann es zu einem langwierigen Rechtsstreit um das Gutachten kommen. Im Hintergrund stand bisher EWE, jederzeit bereit, viel Geld für weitere VNG-Anteile zu zahlen.

Um die festgefahrene Situation unter den VNG-Gesellschaftern aufzulösen und um den kommunalen Einfluss bei dem Unternehmen zu sichern, hatte LVV sich zuletzt sogar mit dem australischen Finanzinvestor Macquarie verbündet und ein eigenes Kaufangebot für die VNG-Anteile von EWE unterbreitet. Doch das EnBW-Angebot war nun offenbar attraktiver für die Oldenburger.

Der langwierige Streit der kommunalen VNG-Aktionäre mit EWE steht nun vor dem Ende. Ob EnBW sich mit einem VNG-Anteil von 74,21 % zufrieden gibt, oder ob verkaufsbereite kommunale Aktionäre wie Erfurt weiterhin mit lukrativen Angeboten des Mehrheitsaktionärs rechnen können, wird sich zeigen. EnBW-Vorstandschef Frank Mastiaux kündigte gestern in einem Handelsblatt-Interview an, dass er sich mit den kommunalen Eignern, der Stadt Leipzig sowie mit dem Management und den Mitarbeitern kurzfristig zusammensetzen werde.


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