Kohleausstieg für den Klimaschutz, der Umgang mit Stromtransport-Engpässen und die Arbeit am Energie- und Klimaprogramm für Sachsen: Das waren wichtige Energiethemen der vergangenen zwölf Monate. Sie sind jeweils mit langfristigen Entwicklungen und größeren Zusammenhängen verbunden.

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Vom Kohleausstieg betroffen: das Braunkohle-Großkraftwerk Lippendorf. Foto: Stefan Schroeter


In der Energiewirtschaft vollziehen sich wichtige Entwicklungen oft in sehr langen Zeiträumen und mit kleinen Einzelschritten. Einzelne Ereignisse und Vorgänge sind dabei immer auch mit größeren Zusammenhängen verbunden. Das zeigt sich wieder, wenn ich auf meine energiejournalistischen Berichte der vergangenen zwölf Monate zurückblicke. Hier stelle ich nun eine kleine Auswahl meiner Energiethemen des Jahres 2020 vor, ergänzt um Hinweise auf langfristige Entwicklungen und größere Zusammenhänge:

 

Kohleausstieg für den Klimaschutz

Im August trat das Kohleausstiegs-Gesetz in Kraft. Es soll dafür sorgen, dass in Deutschland alle Kohlekraftwerke spätestens bis zum Jahr 2038 abgeschaltet werden. Damit sind Milliardenkosten für den Steuerzahler verbunden, weil die Betreiber der Kohlekraftwerke aus Bundesmitteln entschädigt und die bisherigen Kohleregionen bei Strukturwandel unterstützt werden. Doch welchen Beitrag der Kohleausstieg tatsächlich zum Klimaschutz leisten kann, steht damit noch nicht fest. Denn das wird davon abhängen, wie die Bundesregierung mit den frei werdenden Treibhausgas-Emissionszertifikaten umgeht. Meinen Kommentar zu diesem Thema finden Sie hier:



 

Dass die Stilllegung von Kohlekraftwerken nicht automatisch den Klimaschutz voranbringt, liegt daran, wie das Emissionshandelssystem der Europäischen Union funktioniert. In diesem Handelssystem wird die Menge des EU-weiten Treibhausgas-Ausstoßes durch die Ausgabe von Emissionszertifikaten begrenzt. An die Betreiber von Kraftwerken und energieintensiven Industrieanlagen wird nur eine bestimmte Zahl von Emissionszertifikaten ausgegeben, die zum Ausstoß von Treibhausgasen berechtigen. Wird nun ein Kohlekraftwerk stillgelegt, werden die Zertifikate frei, die bisher für seine Emissionen gebraucht wurden. Sie können EU-weit gehandelt und für den Ausstoß von Emissionen in anderen Kraftwerken oder Industrieanlagen genutzt werden. Auf diesen Zusammenhang, der später als „Wasserbett-Effekt“ bekannt wurde, hatte ich bereits im September 2016 hingewiesen:



 

Deutlich wurde dieser „Denkfehler“ auch, als es um die Stilllegung von Braunkohle-Kraftwerken in der „Sicherheitsbereitschaft“ ging. Damit habe ich mich zunächst anhand des niedersächsischen Braunkohle-Kraftwerks Buschhaus beschäftigt, das der ostdeutsche Braunkohleförderer Mibrag nur drei Jahre vor der Sicherheitsbereitschaft übernommen hatte. Später kamen weitere ausgediente Kraftwerke dazu, darunter auch Jänschwalde in Brandenburg. Bei meinen Recherchen stellte sich heraus, dass die Emissionszertifikate der sicherheitsbereiten Kraftwerke nicht gelöscht wurden, sondern weiter frei gehandelt werden konnten.

Meine Berichte zu diesem Thema sind hier aufgelistet:


Hintergrund-Berichte zur Sicherheitsbereitschaft


 

Bei der Sicherheitsbereitschaft werden in den Jahren 2016 bis 2023 mehrere besonders alte und umweltschädliche Braunkohle-Kraftwerksblöcke schrittweise aus dem Markt genommen und schließlich endgültig stillgelegt. Die Betreiber der stillzulegenden Anlagen sollen dafür Vergütungen von insgesamt 1,61 Milliarden Euro erhalten. Die Kosten dafür werden auf die Netzentgelte der Stromkunden umgelegt. Inzwischen zeichnet sich allerdings ab, dass die tatsächlichen Vergütungen sogar noch höher ausfallen können. In meinem Bericht vom Juni können Sie mehr lesen über die




 

Zukunftssichere Rekultivierung der Braunkohle-Tagebaue

Der Kohleausstieg vollzieht sich in den einzelnen Bundesländern in unterschiedlichen Etappen. So hatte ich im April darüber berichtet, dass bis zum Jahr 2033 ein



ist. In jenem Jahr wird in diesem Bundesland der letzte Tagebau-Abschnitt auslaufen, der heute noch über eine Genehmigung verfügt. Die energiepolitische Ausrichtung der Landesregierung aus SPD, CDU und Bündnisgrünen könnte dazu führen, dass auch kein neuer Tagebau-Abschnitt mehr genehmigt wird. Das haben die Regierungsparteien zumindest in ihrem Koalitionsvertrag so vereinbart. Ob es auch tatsächlich so kommt, bleibt zu beobachten.

 

In Sachsen sind die Aussagen zum Ende der Braunkohleförderung bisher weniger klar. Deshalb haben die Bewohner des bisher vom Abbau bedrohten Dorfes Pödelwitz bei Leipzig im Juni von den zuständigen Behörden gefordert, Rechtssicherheit für den Erhalt ihres Dorfes zu schaffen:



 

Je näher das Ende der Tagebaue rückt, desto wichtiger wird die Frage, ob die Kohleförderer dann noch genügend Geld für ihre Rekultivierung und die Wiedernutzbarmachung der beanspruchten Flächen zur Verfügung stellen werden. Bei den Tagebau-Betreibern Leag und Mibrag hatte es hier in den vergangenen Jahren einige fragwürdige Entwicklungen gegeben. Inzwischen bemühen sich die zuständigen Landesregierungen und ihre Ämter darum, die Rekultivierungsgelder besser als bisher abzusichern. Dazu haben sie sogenannte Vorsorgevereinbarungen mit Leag und Mibrag geschlossen. Die aktuellen Entwicklungen habe ich im Januar und März in den folgenden Kurzberichten zusammengefasst:




 

Wenn Sie sich näher über dieses Thema informieren wollen, empfehle ich dafür meine ausführlichen Premium-Berichte:


Bei Mibrag kommt die Tagebau-Rekultivierung stärker in den Blick


Vattenfalls Rekultivierungsgelder flossen in Leags Margining


 

Obwohl es bei der Rekultivierung von Braunkohle-Tagebauen um wichtige öffentliche Interessen geht, sind viele wichtige Informationen dazu nicht öffentlich zugänglich. Von den zuständigen Behörden werden sie oft als Geschäftsgeheimnisse der Tagebau-Betreiber eingestuft und in den verfügbaren Dokumenten geschwärzt. Zwei Umweltschutz-Organisationen in Brandenburg sahen sich deshalb im Mai veranlasst, beim Verwaltungsgericht Cottbus eine



einzureichen.



 

Umgang mit Stromtransport-Engpässen

Ein Thema, über das ich schon seit vielen Jahren regelmäßig berichte, sind die großen regionalen Ungleichgewichte bei Stromerzeugung und Stromverbrauch. Im Norden und Osten wird ein großer Überschuss an Solar- und Windstrom produziert, dem ein relativ geringer Verbrauch gegenübersteht. Im Südwesten wird dagegen zu wenig Strom produziert, um den hohen Verbrauch zu decken. Die überregionalen Höchstspannungsleitungen reichen nicht aus, um den Stromtransport zwischen den ungleichen Regionen zu gewährleisten. Deshalb muss dieser Ausgleich künstlich und mit hohen Kosten durch den sogenannten Redispatch hergestellt werden. Meine bisherigen Berichte zu diesem Thema finden Sie hier:


Hintergrund-Berichte zu Redispatch


 

Eine mögliche Alternative zu dieser Praxis könnte sein, den Strom-Großhandel an die regionalen Ungleichgewichte anzupassen. International hat es sich dabei durchaus bewährt, unterschiedliche Marktgebiete für unterschiedliche Regionen einzuführen. In eine ähnliche Richtung ging im Januar ein



 

Auch im Akademienprojekt „Energiesystem der Zukunft“ haben sich Wissenschaftler und Praktiker gründlich mit diesem Thema beschäftigt. Im Oktober haben sie das Ergebnis vorgestellt, über das ich hier berichtet habe:



 

Die deutsche Energiepolitik setzt bisher vor allem darauf, die Stromtransport-Engpässe durch einen groß angelegten Ausbau der Höchstspannungs-Leitungen von Norden und Osten nach Südwesten zu beheben. Dieser Ausbau ist sehr langwierig und mit sehr hohen Kosten verbunden, die zudem immer weiter steigen. Das geht aus dem Netzentwicklungsplan Strom hervor, den die Übertragungsnetz-Betreiber regelmäßig bei der Bundesnetzagentur vorlegen und bestätigen lassen. Darüber hatte ich im Januar berichtet:




 

In Ostdeutschland werden zwar große Mengen Wind- und Solarstrom produziert. Auf Sachsen trifft das allerdings nicht mehr zu. Widerstände in der Bevölkerung und in der konservativ geprägten Landespolitik haben dazu geführt, dass kaum noch Flächen verfügbar sind, auf denen große Solaranlagen und Windräder errichtet werden können:



 

Wollen Sie sich ausführlich darüber informieren, wie es zu dieser Situation gekommen ist und wie sie wieder überwunden werden kann? Dann empfehle ich meinen ausführlichen Hintergrund-Bericht zu diesem Thema vom März 2017. Seine Überschrift hat sich seitdem bestätigt und dürfte wohl auch in den nächsten Jahren noch zutreffen:



 

Die aktuelle Regierungskoalition aus CDU, Bündnisgrünen und SPD hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, dass sie daran langfristig etwas ändern will. Über die Grundlagenarbeit, die dafür notwendig ist, habe ich im September und noch einmal vor wenigen Tagen im Dezember berichtet:





 

Das war ein kleiner Rückblick auf einige ausgewählte Berichte des Jahres 2020. Er kann natürlich nicht vollständig sein. Wenn Sie sich für andere Energiethemen interessieren sollten, empfehle ich deshalb auch diese Übersichtsseite:


Hintergrund-Berichte


 

Möglicherweise finden Sie in den nächsten Tagen bis zum Jahresende die Zeit und die Ruhe, um den einen oder anderen Bericht noch einmal zu lesen oder auch neu zu entdecken, wichtige Informationen zu gewinnen und zu durchdenken.

 

Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir den Hinweis, dass die unabhängige, langfristig orientierte und grundlegende journalistische Berichterstattung über die Energiewirtschaft viel Zeit und Arbeit erfordert. Dieser Aufwand muss selbstverständlich auch finanziert werden. Hier können Sie meine Arbeit als unabhängiger Energiejournalist unterstützen:


Euros für freien Energiejournalismus


 

In dieser Zeit wünsche ich allen Leserinnen und Lesern vor allem eine gute Gesundheit und einen guten Start ins neue Jahr.


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