Höhenbeschränkungen für moderne Anlagen und fehlende Bauflächen bremsen die Windkraft in Sachsen. Zwar wird die Regionalplanung ab 2018 wohl größere Vorrang- und Eignungsflächen ausweisen. Doch die politischen Vorgaben dafür sind konservativ und gelten über große Zeiträume.

Windpark Naundorf gross

Leistungsstarkes Windrad (links) mit 91 Meter kurzem Turm im Windpark Naundorf. Foto: Hans-Jürgen Schlegel


Die drei neuen Drei-Megawatt-Anlagen im Windpark Naundorf bei Oschatz sehen etwas ungewöhnlich aus. Zwar sind ihre schlanken Türme mit 89 und 91 Metern ähnlich hoch wie die anderen neun Windräder, die hier schon seit vielen Jahren stehen. Doch ihre Rotorflügel sind deutlich länger und streichen daher in einer relativ geringen Höhe über den Boden.

Über diese niedrige Bauweise ärgert sich der Döbelner Windkraft-Experte Hans-Jürgen Schlegel. Normalerweise würden 3-MW-Anlagen im Binnenland mit einer Nabenhöhe von 140 Metern gebaut, erzählt er. Dann könnten sie den gleichmäßigeren und stärkeren Wind in diesen höheren Gefilden nutzen. Schlegel schätzt, dass der Stromertrag der geschrumpften Windräder wahrscheinlich um etwa 30 Prozent niedriger ausfällt als bei normaler Bauweise. Hinzu komme ein größerer Verschleiß der Anlagen. Denn die Rotorblätter würden nun an ihrem tiefsten und an ihrem höchsten Punkt sehr unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten ausgesetzt. Das führe zu starken mechanischen Belastungen.

Die Verantwortung dafür weist der Experte den Behörden zu. „Das Landratsamt Nordsachsen und der Regionale Planungsverband Leipzig-Westsachsen haben die Genehmigung der niedrigen Nabenhöhen damit begründet, dass sonst der Abstand zur Wohnbebauung nicht groß genug wäre“, berichtet Schlegel, der selbst viele Jahre lang im sächsischen Staatsapparat tätig war. „Aus meiner Sicht versuchen aber Genehmigungsbehörde und Regionaler Planungsverband, die nur in Bayern gültige 10-H-Abstandsregelung über die Hintertür durchzusetzen.“

Die 10-H-Abstandsregelung besagt, dass Windräder einen Abstand  zur nächsten Wohnbebauung einhalten müssen, der dem Zehnfachen ihrer Nabenhöhe entspricht. In Sachsen gibt es eigentlich keine generelle 10-H-Regelung. Dennoch gilt sie in einigen Fällen, wie sich noch herausstellen wird.

 

Antragsgemäße Genehmigung

Das Landratsamt Nordsachsen fühlt sich für die Verzwergung der Naundorfer Windräder erst einmal nicht verantwortlich. „Mit Antrag vom 05.04.2013 wurden die Genehmigungsunterlagen nach § 4 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von 89 m und von zwei Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von 91 m eingereicht“, teilt die Behörde auf Anfrage mit. „Diese wurden im Rahmen den Genehmigungsverfahrens geprüft und es erging antragsgemäß der Genehmigungsbescheid zu den einzelnen Windenergieanlagen im Windpark Naundorf.“

Sollte ein Windpark-Betreiber wirklich von sich aus freiwillig einen Genehmigungsantrag stellen, mit dem er auf 50 Meter Nabenhöhe verzichtet, um 30 Prozent des möglichen Stromertrags zu verlieren und einen höheren Verschleiß der Anlagen in Kauf zu nehmen? Oder hat das Landratsamt möglicherweise schon vor dem formellen Genehmigungsverfahren in irgendeiner Weise darauf hingewirkt, dass der Windpark-Betreiber nur die niedrigen Nabenhöhen beantragt hat?

Auf diese Nachfragen geht die zunächst auskunftsbereit gewesene Behörde allerdings nicht mehr ein. Auch der Windpark-Betreiber, Wind-2000, hält sich dazu weitgehend zurück. Der Leipziger Büroleiter Christian Tietze spricht immerhin über andere Hintergründe der Genehmigungsverfahren. „Natürlich hätten wir die drei Naundorfer Windenergieanlagen gerne mit der normalen Nabenhöhe von 140 Metern gebaut, um den besten Stromertrag zu erreichen“, sagt er. „Das war aber aufgrund der Vorgaben im Bebauungsplan Naundorf nicht möglich.“

Diesem Bebauungsplan zufolge konnte Wind-2000 im schon bestehenden Windpark Naundorf drei Bauflächen nutzen, um drei neue 3-MW-Anlagen zu errichten. Davon hatten zwei Flächen einen Abstand von 910 Metern und eine dritte Fläche einen Abstand von 890 Metern zur nächsten Wohnbebauung. Aus den Vorgaben des Regionalen Planungsverbandes Leipzig-Westsachsen ergab sich, dass auf diesen Flächen zweimal Windenergieanlagen mit Nabenhöhen von 91 Metern und einmal mit 89 Metern beantragt werden konnten.

 

Kompromiss für die Windkraft

Die Formel dafür ist im Regionalplan Westsachsen 2008 nachzulesen. Unter „Z 11.3.4.“ heißt es dort: „Windenergieanlagen innerhalb der Vorrang- und Eignungsgebiete Windenergienutzung mit einem Abstand von 750 m bis unterhalb 1 000 m zur Wohnbebauung sollen einen Abstand zur Wohnbebauung aufweisen, der das 10-Fache der Nabenhöhe nicht unterschreitet.“

Der Regionale Planungsverband Leipzig-Westsachsen rechtfertigt diese Regelung als Kompromiss zugunsten der Windkraft. „Er sichert damit in Teilen der seit 2001 verbindlichen Vorranggebiete eine weitere Windenergienutzung, die in anderen Teilen der Region aufgrund eines einzuhaltenden Siedlungsabstandes von 1.000 Metern generell ausgeschlossen ist“, argumentiert der Leiter der Regionalen Planungsstelle, Andreas Berkner. Die Höhe der Anlagen werde beschränkt, um zusätzliche Belastungen der angrenzenden Siedlungsteile mit ihrer Wohnbevölkerung zu vermeiden, einen vorbeugenden Immissionsschutz zu gewährleisten und die Akzeptanz der Windenergieanlagen neueren Typs aufrecht zu erhalten.

Demnach wäre die Höhenbeschränkung in Siedlungsnähe eine logische Folge dessen, wie sich die Windkraftnutzung seit ihren Anfängen entwickelt hat. Zunächst wurden kleinere Windräder gebaut, die auch bei Standorten in Siedlungsnähe kaum jemanden störten. Als die Anlagen dann durch die technischen Fortschritte deutlich größer, sichtbarer und lauter wurden, wuchsen die Widerstände in den nahen Ortschaften. Darauf reagierte der Planungsverband mit der Höhenbeschränkung.

 

Stagnation auf niedrigem Niveau

Diese Höhenbeschränkung ist allerdings auch ein Grund dafür, dass der Windkraft-Ausbau in der Region Leipzig-Westsachsen in den vergangenen Jahren nur wenig vorankam und zuletzt sogar auf einem niedrigen Niveau stagnierte. Ein zweiter und wohl noch wichtigerer Grund dafür ist, dass die Raumplanung bisher  nur relativ wenige Flächen als sogenannte Vorrang- und Eignungsflächen für die Windenergienutzung ausgewiesen hat, auf denen Windräder ohne Höhenbeschränkung gebaut werden können. So sind im Landesdirektions-Bereich Leipzig bisher nur 197 Windräder mit einer gesamten Spitzenleistung von 245 Megawatt installiert – deutlich weniger als in den  Landesdirektions-Bereichen Dresden und Chemnitz. Im vergangenen Jahr 2016 erreichte die Entwicklung in Leipzig-Westsachsen einen statistischen Tiefpunkt, als hier aufgrund mehrerer ungünstiger Umstände die Zahl der Anlagen und ihre gesamte installierte Spitzenleistung sogar zurückging.

In den Regionen Dresden und Chemnitz kommt die Windkraft zwar nicht ganz so langsam voran. Insgesamt ist Sachsen aber beim Ausbau dieser erneuerbaren Energie auf den vorletzten Platz unter den deutschen Flächenländern abgerutscht. Nur das kleine Saarland stehe noch ungünstiger da, heißt es in einer aktuellen Kurzstudie der VEE Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien Sachsen.





WEA Sachsen 2016 weich




Das ist umso erstaunlicher, als die benachbarten Bundesländer Brandenburg und Sachsen-Anhalt seit Jahren zu den deutschen Vorreitern beim Ausbau der Windkraft zählen. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass es in diesen beiden Ländern mit dem Vestas-Werk in Lauchhammer und der Enercon-Niederlassung in Magdeburg starke Standorte der Windkraft-Industrie gibt, die einen spürbaren Einfluss auf die Landespolitik ausüben. In Sachsen konnten dagegen bisher nur kleine bis mittelgroße Zulieferunternehmen angesiedelt werden – wie der Windturm-Produzent Siag in Leipzig.

Als ein weiterer Grund wäre denkbar, dass die Gemeinden, auf deren Gebieten Windparks stehen, nicht immer angemessen an den Einnahmen daraus beteiligt werden. Wer erhebliche Veränderungen seiner gewohnten Umgebung hinnehmen soll, ohne etwas von den daraus erzielten umfangreichen Gewinnen sehen zu können, neigt normalerweise zu Protest und Widerstand. Sollte dieses Ungleichgewicht in Sachsen besonders stark ausgeprägt sein? Darüber ist bisher kaum etwas bekannt.

 

Neuer Anlauf

Von den sächsischen Oppositionspolitikern aus Bündnis90/Grünen und Linken wird der langsame Ökostrom-Ausbau zwar seit Jahren heftig kritisiert. Sie wurden aber von der bisher übermächtigen CDU noch nicht in die Regierung gelassen und konnten daher nicht viel daran ändern. Etwas bessere Möglichkeiten hatte die SPD, die schon einmal von 2004 bis 2009 in einer Koalition mit der CDU mitregierte. Der damalige Wirtschaftsminister Thomas Jurk setzte sich für einen stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien ein, musste sein Amt aber nach fünf Jahren an den FDP-Politiker Sven Morlok abgeben.

Seit 2014 nimmt nun der SPD-Politiker Martin Dulig einen neuen Anlauf als sächsischer Wirtschaftsminister. Dulig hat sich seit seinem Amtsantritt mehrfach zu einem stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien bekannt. Und auch im aktuellen Koalitionsvertrag seiner SPD mit der CDU finden sich entsprechende Passagen. Doch um den Ausbau der Windkraft voranzubringen, ist ein sehr langer Atem nötig. Denn dazu werden neue und langfristig nutzbare Flächen gebraucht, die nur die Regionalplanung ausweisen kann. Und die Regionalplanung lässt sich nur über sehr lange Zeiträume beeinflussen.

So weist das sächsische Wirtschaftsministerium darauf hin, dass die derzeit verfügbaren Windkraft-Flächen auf die energiepolitischen Ziele zurückgehen, die sich der Freistaat in seinem Klimaschutzprogramm des Jahres 2001 gestellt hatte. Zur Erinnerung: Damals wurde Sachsen noch allein von der CDU und ihrem langjährigen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf regiert. Die energiepolitischen Ziele aus dieser Zeit flossen dann in die Regionalpläne ein, die bis heute gelten.

Wie sich diese Langzeitplanung auf den Windkraft-Ausbau auswirkt, beschreibt das Ministerium so: „Da das aktuelle raumordnerisch gesicherte Flächenpotenzial für die Nutzung der Windenergie also Regionalplänen entstammt, welche in dem Zeitraum von 2008 bis 2010 in Kraft getreten sind und sich damit die verfügbare Flächenkulisse seit circa zehn Jahren nicht geändert hat, konnten in den letzten Jahren kaum neue Windenergieanlagen errichtet werden, da das Flächenpotenzial einfach erschöpft war.“ Ein Zubau an Windkraft-Leistung müsse  daher auch im laufenden Jahr 2017 hauptsächlich über ein sogenanntes Repowering erfolgen. Dabei werden meist mehrere kleine, ältere Anlagen am gleichen Standort durch weniger, aber dafür modernere und größere Anlagen ersetzt.




Windkraft 2016 in OD weich




Ausbauziele von 2012

Die nächste Kursänderung in Sachsens Energiepolitik, die sich demnächst auf die Regionalpläne auswirken wird, stammt aus dem Energie- und Klimaprogramm 2012 der damaligen Koalition von CDU und FDP. Es wurde zwar von den Verfechtern erneuerbarer Energien wegen der vergleichsweise bescheidenen Ausbauziele heftig kritisiert, bedeutete aber für sächsische Verhältnisse immerhin einen gewissen Fortschritt. Auf diesen Zielen baut der Landes-Entwicklungsplan 2013 auf. Er hat wiederum die Regionalplanung damit beauftragt, die Regionalpläne zu überarbeiten und mehr Vorrang- und Eignungsgebiete für die Windkraft-Nutzung auszuweisen. Sie sollen dafür ausreichen, dass mindestens eine jährliche Windstrom-Menge von 2.200 Gigawattstunden produziert werden kann. Das ist doppelt soviel, wie die Windräder in den derzeit bestehenden Vorrang- und Eignungsgebieten erzeugen können.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es immer noch zahlreiche Windräder außerhalb der Vorrang- und Eignungsgebiete gibt. Sie erzeugen derzeit nach Schätzung des Windkraft-Experten Schlegel etwa ein Drittel des sächsischen Windstroms, dessen gesamte Jahresproduktion 2016 nach seiner Hochrechnung insgesamt bei 1.750 GWh gelegen haben dürfte.

Die Regionalen Planungsverbände arbeiten derzeit daran, ihre Regionalpläne an den Landes-Entwicklungsplan 2013 anzupassen. Seinen ursprünglichen Auftrag, dies bis zum August 2017 zu schaffen, werden sie allerdings nicht erfüllen. Darauf weist das Innenministerium jetzt schon hin. „Es ist davon auszugehen, dass die Regionalpläne im Jahr 2018 beschlossen und dem Staatsministerium des Innern zur Genehmigung vorgelegt werden“, teilt es mit.

Für den Regionalplan Leipzig-Westsachsen rechnet Andreas Berkner damit, dass er im zweiten Halbjahr 2018 beschlossen werden kann. Darin sollen dann auch Vorrang- und Eignungsgebiete für Windparks ausgewiesen sein, mit denen der jährliche Mindestertrag von 474 GWh/Jahr erreicht werden kann. Auf nähere Angaben zur Größe der dafür notwendigen Flächen möchte sich der Leiter der Planungsstelle allerdings nicht festlegen lassen. Stattdessen verweist er auf den bisher vorliegenden Entwurf des Regionalplans, in dem der „verbleibende Windenergieertrag zur Erfüllung des regionalen Mindestenergieertrags“ mit 150 GWh/a angegeben ist. Berkner geht davon aus, dass ein Windrad der heute verbreiteten 3-MW-Klasse eine Strommenge von 6 GWh produzieren kann. Nach dieser Rechnung müssten also in den Vorrang- und Eignungsgebieten von Leipzig-Westsachsen noch 25 Windräder  aufgestellt werden, um den Mindestertrag zu erreichen. Der Regionalplaner rechnet damit, dass dieser Ausbau bis 2022/2023 vollzogen sein wird.

 

Geduldiger Koalitionsvertrag

Die Ausbauziele des Energie- und Klimaprogramms 2012, die sich dann im Jahr 2018 in den neuen Regionalplänen niederschlagen werden, reichen nach Ansicht von Wirtschaftsminister Martin Dulig nicht aus. Vor einem Jahr kündigte der Sozialdemokrat an, gemeinsam mit dem Koalitionspartner CDU den Ausbau der erneuerbaren Energien in Sachsen voranzubringen und sich dabei an den Ausbauzielen der Bundesregierung zu orientieren. Sie will bekanntlich bis 2025 erreichen, dass 40 bis 45 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen.

Sachsen hatte sich dagegen bisher nur bescheidene 28 Prozent bis zum Jahr 2022 vorgenommen. Das wollen die sächsischen Sozialdemokraten ändern. Im Koalitionsvertrag von 2014 haben sie daher  mit den Christdemokraten vereinbart, die Ausbauziele des Energie- und Klimaprogramms innerhalb der bis 2019 laufenden Legislaturperiode zu überarbeiten. Wie weit dieses Vorhaben vorangekommen ist, lässt sich allerdings kaum einschätzen. „Derzeit finden dazu noch Abstimmungen innerhalb der Staatsregierung statt“, teilt das Wirtschaftsministerium mit.

Einen messbaren Fortschritt gibt es dagegen bei der Windpotenzial-Studie, die Dulig ebenfalls vor einem Jahr angekündigt hatte. Den Auftrag dafür hat das Ministerium im August 2016 an die Bietergemeinschaft Saxwind vergeben, hinter der zwei Ingenieurgesellschaften und VEE stehen. Es wird mit einer Bearbeitungszeit von zwölf Monaten gerechnet.




Oekostrom Anteile weich



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