Ergänzt-2. Eigentlich soll die Anreizregulierung der Bundesnetzagentur dafür sorgen, dass die Betreiber von Energienetzen keine Monopolgewinne auf Kosten ihrer Kunden erzielen. Doch bei den Ferngasleitungs-Netzbetreibern scheint das nicht zu funktionieren – zumindest solange nachvollziehbare Maßstäbe an ihre Gewinne angelegt werden.

Ontras gross 3

Der Betrieb von Ferngasleitungen ist trotz Regulierung ein außerordentlich einträgliches Geschäft. Archivfoto 2014: Stefan Schroeter


Die deutschen Betreiber von Ferngasleitungs-Netzen können trotz staatlicher Regulierung überwiegend hohe Monopolgewinne erwirtschaften. Das ergab eine Analyse der Geschäftsberichte von zwölf Unternehmen, die in der Vereinigung der Fernleitungs-Netzbetreiber Gas organisiert sind. Zehn dieser Unternehmen erzielten zuletzt außergewöhnlich hohe Netto-Umsatzrenditen. Den Spitzenwert von 39 Prozent erreichte Thyssengas im Geschäftsjahr 2014. Im Geschäftsjahr 2015 soll die Gewinnsituation bei Thyssengas ähnlich gut gewesen sein, die Zahlen wurden aber bisher noch nicht veröffentlicht.

Blendend laufen auch die Geschäfte bei Ontras, GRT Gas und Gasunie, die im Jahr 2015 immerhin noch auf 32 % und 31 % kamen. Auch die Umsatzrenditen von Gascade, Terranets BW und Bayernets können sich mit Werten zwischen 20 % und 25 % durchaus sehen lassen. Etwas bescheidener fielen sie für Open Grid Europe, für Fluxys im Jahr 2014 und für Nowega aus. Eine Ausnahme bilden nur die kleineren Unternehmen Jordgas im Jahr 2014 und GTG Nord, die Verluste erwirtschafteten.

Erstaunliche Höhen erreichen die meisten Ferngasleitungs-Netzbetreiber auch bei der Eigenkapital-Rendite. Diese Kennziffer für betriebswirtschaftlichen Erfolg war im Jahr 2005 einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgeworden durch den damaligen Vorstandschef der Deutschen Bank, Josef Ackermann. Er hatte damals das Ziel ausgegeben, eine Eigenkapital-Rendite von 25 % vor Steuern zu erreichen. Ackermann wurde dafür heftig kritisiert, weil dieses Ziel als unrealistisch hoch galt. Doch FNB schaffen überwiegend sogar noch deutlich höhere Eigenkapital-Renditen nach Steuern. Spitzenreiter ist Bayernets mit 167 %, gefolgt von Ontras mit 91 % und Thyssengas mit 79 %.

 

Die traumhaften Renditen der Ferngasleitungs-Netzbetreiber

FNB Gewinne 2015 klein

 

 

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Natürliche Monopole

Die deutschen Ferngasleitungs-Netzbetreiber transportieren Erdgas überregional und grenzüberschreitend in einem Hochdruck-Rohrleitungsnetz, das insgesamt 40.000 Kilometer lang ist. Aus diesem Hochdrucknetz beliefern sie die nachgelagerten Verteilnetze von fast 700 Regionalversorgern, Stadtwerken und Industriegebieten. Die Ferngasleitungen gelten als natürliche Monopole, bei denen es nicht sinnvoll ist, weitere Leitungen zu verlegen, um wirtschaftlichen Wettbewerb zu ermöglichen. Damit in der Gaswirtschaft dennoch Wettbewerbsangebote möglich sind, verpflichtete der Gesetzgeber die FNB vor Jahren dazu, ihre Leitungen für andere Unternehmen zu öffnen und Gasmengen nicht nur für die eigenen Muttergesellschaften zu transportieren, sondern auch für konkurrierende Anbieter.

Die dafür anfallenden Transportentgelte müssen von der BNA Bundesnetzagentur genehmigt werden, als gesetzliche Grundlage dafür dient unter anderem die sogenannte Anreizregulierung. Als Ziel dieser Anreizregulierung nennt die BNA, dass die Netzbetreiber keine Monopolgewinne erzielen und die Netze so kostensparend wie möglich betreiben. Doch dieser Anspruch steht offensichtlich in einem deutlichen Widerspruch zu den  außergewöhnlich hohen, tatsächlich erzielten Umsatz- und Eigenkapitalrenditen der meisten Ferngasleitungs-Netzbetreiber.

Wer sich näher mit diesem Widerspruch der regulierten Energiewirtschaft beschäftigen will, muss eine undurchsichtige Parallelwelt erkunden, in der es nur wenig allgemein verständliche Informationen und keine klaren Antworten gibt. Bisher als zuverlässig betrachtete Eckpunkte der Wirtschafts-Berichterstattung sind hier außer Kraft gesetzt – an ihre Stelle soll zumindest Gutgläubigkeit, wenn nicht sogar blindes Vertrauen in die bestehenden Verhältnisse treten. Naheliegende Fragen werden oft nicht direkt und mit nachvollziehbaren Fakten beantwortet, sondern mit schwer verständlichen Umschreibungen, rätselhaften Andeutungen und Hinweisen auf Gesetzestexte und Geschäftsgeheimnisse.

 

Welche Gewinne?

So argumentiert der in Ostdeutschland aktive Ferngasleitungs-Netzbetreiber Ontras auf Anfrage, dass die in seinen Geschäftsberichten ausgewiesenen Gewinne gar nicht zur Beurteilung seiner Gewinnsituation herangezogen werden könnten:

„Für einen regulierten Fernleitungsnetzbetreiber wie Ontras gilt als Berechnungsgrundlage nicht die Handelsbilanz, sondern es gelten die regulatorischen Regelungen, in erster Linie hier die Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (GasNEV): Die Netzbetreiber finanzieren einen Teil der Netzanlagen mit Eigenkapital und sind hierfür auf einen von der Bundesnetzagentur festgelegten Zinssatz beschränkt. Der Ermittlungsweg der Verzinsungsbasis für das Eigenkapital ist in der GasNEV gesetzlich fixiert. Diese Ermittlung weicht stark von der handelsrechtlichen Bewertung ab.“

Nachvollziehen lässt sich diese Argumentation nicht. Denn eine Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr 2015, die den „regulatorischen Regelungen“ entspricht, kann das Unternehmen nicht vorlegen:

„Ontras hat keine jahresbezogene Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). Eine Überleitung der handelsrechtlichen GuV auf die regulatorischen Vorgaben und Ansätze erfolgt nur alle fünf Jahre im Rahmen der Kostenprüfungsverfahren der BNetzA.“


Obwohl die Handelsbilanz nicht als Berechnungsgrundlage für Ontras gelten soll, führt das Unternehmen regelmäßig genau die nach eben dieser Handelsbilanz ermittelten Gewinne an seine Muttergesellschaft Verbundnetz Gas ab: 122 Mio. Euro im Jahr 2014 und 109 Mio. Euro im Jahr 2015. Daraus ergibt sich die naheliegende Frage, warum die Handelsbilanz nur für die Berechnung der abgeführten Gewinne gelten soll – und nicht ebenso für die Betrachtung, ob diese Gewinne für ein reguliertes Monopolunternehmen angemessen sind? Hier beruft sich Ontras knapp auf die Regulierungsbehörde:

„Die Angemessenheits- bzw. Effizienzprüfung erfolgt durch die Bundesnetzagentur.“


Die Transportnetz-Entgelte von Ontras werden letzten Endes von den ostdeutschen Gaskunden bezahlt. Die hohen, an die Muttergesellschaft abgeführten Gewinne erwecken natürlich den Eindruck, dass es bei Ontras einen großen Spielraum dafür gibt, die Transportnetz-Entgelte zu senken und damit die ostdeutschen Gaskunden zu entlasten. Doch auf solche Überlegungen geht das Unternehmen nicht weiter ein:

„Selbstverständlich ist Ontras als regulierter Fernleitungsnetzbetreiber bestrebt, seine Netzentgelte im Interesse der Transportkunden so niedrig wie möglich zu halten. Generell liegt übrigens der prozentuale Anteil der Entgelte für den Fernleitungsbereich am Gaspreis für den privaten Gaskunden nach wie vor durchschnittlich im einstelligen Prozentbereich.

Für Ontras – wie für jeden anderen Fernleitungsnetzbetreiber – ist die Erlösobergrenze von der Bundesnetzagentur für jeweils fünf Jahre festgelegt und damit gedeckelt. Das bedeutet, dass Ontras einen festgelegten Maximalbetrag pro Jahr einnehmen darf. Wird dieser überschritten, müssen wir den Überschuss im Folgejahr über die Entgelte an den Markt zurückgeben. Somit ist der „unternehmerische“ Handlungsspielraum durch die gesetzlich fixierten regulatorischen Rahmenbedingungen vorgegeben.“

 

Kalkulatorische Maßstäbe

Es wäre wohl auch unrealistisch, zu erwarten, dass ein Unternehmen freiwillig auf einen Teil seiner hohen Gewinne verzichtet, um seine Kunden zu entlasten. Dafür sollte eigentlich die Bundesnetzagentur zuständig sein. Doch auf Anfrage bestätigt diese Behörde weitgehend die Ontras-Argumentation:

„Die handelsrechtlichen Eigenkapital- und Umsatzrenditen können aus den Tätigkeitsabschlüssen der Unternehmen bestimmt werden. Hierbei gilt es allerdings zu beachten, dass die handelsrechtlichen Renditen stark durch Sonderfaktoren, z.B. bilanzpolitische Bewertungsspielräume, geprägt sein können. Die Strom- und Gas-Netzentgeltverordnungen rekurrieren unter anderem auch deshalb nicht auf diese handelsrechtlichen Maßstäbe, sondern auf die kalkulatorischen Maßstäbe, die in besonderen Vorschriften in den Verordnungen niedergelegt sind, um damit die Wirkung von Sondereffekten zu reduzieren. Grundsätzlich ist also zwischen der handelsrechtlichen Rendite und der durch die Bundesnetzagentur anzuwendenden kalkulatorischen Eigenkapitalrendite zu unterscheiden.

Bei der Bestimmung der Erlösobergrenzen ist die Bundesnetzagentur an die kalkulatorischen Vorgaben aus der Strom- und Gasnetzentgeltverordnung gebunden. Dies bedeutet, dass der Wert des betriebsnotwendigen Sachanlagevermögens nicht direkt aus der nach dem Handelsgesetzbuch bestimmten Bilanz übernommen wird, sondern gemäß den Vorschriften der Strom- und Gasnetzentgeltverordnung bestimmt wird. Hierbei kommen z.B. im Vergleich zum Handelsrecht unterschiedliche Nutzungsdauern sowie, für Teile des Vermögens, das Prinzip der Nettosubstanzerhaltung zur Anwendung. Durch diese Unterschiede in der Bezugsbasis können sich daher im Vergleich zum festgelegten Eigenkapitalzinssatz höhere Werte für die handelsrechtliche Eigenkapital-Rendite ergeben. Abweichungen ergeben sich darüber hinaus auch aus der Anwendung der Regeln der Anreizregulierungsverordnung (ARegV), da der Netzbetreiber durch Kosteneinsparungen während der Regulierungsperiode zusätzliche Gewinne erzielen kann.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine hohe handelsrechtliche Rendite nicht zwangsläufig mit einem aus kalkulatorischer Sicht überhöhten Gewinn gleichzusetzen ist. Gleichwohl bewertet die Bundesnetzagentur die wirtschaftliche Situation der Netzbetreiber als gut.“


So gesehen, könnte eine hohe handelsrechtliche Rendite womöglich tatsächlich nicht zwangsläufig mit einem aus kalkulatorischer Sicht überhöhten Gewinn gleichzusetzen sein. Es spricht aber sehr viel dafür, dass dies bei einem Unternehmen wie Ontras dennoch der Fall ist. Daher wäre es doch hilfreich, wenn ein solches Unternehmen eine Gewinn- und Verlustrechnung vorlegen würde, die der kalkulatorischen Sicht der BNA entspricht. Doch auch BNA geht auf diesen Gedanken bisher nicht ein – und lässt eine entsprechende Frage nun schon seit einer Woche unbeantwortet.

 

Vergleich für höhere Entgelte

Trotz aller Widersprüche und Unklarheiten gibt es in grundlegenden Fragen also offensichtlich viel Übereinstimmung zwischen dem regulierten Unternehmen und seinem Regulierer. Wenn es doch einmal zu einer Meinungsverschiedenheit kommt, wird diese zunächst weitgehend ohne öffentliche Information ausgetragen. Immerhin  taucht im Ontras-Geschäftsbericht 2015 die knappe Bemerkung auf, der Umsatzanstieg um 12 % auf 346 Mio. Euro sei „im wesentlichen auf die genehmigte Erlösobergrenze zurückzuführen, die durch einen im Vorjahr geschlossenen Vergleich mit der Bundesnetzagentur deutlich angehoben wurde“.

Eine öffentlich verfügbares Dokument zu diesem Vergleich existiert nicht. Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass es einen mehrjährigen Rechtsstreit zwischen Ontras und BNA darüber gegeben hatte, wie das Anlagevermögen des Fernleitungs-Netzbetreibers zu bewerten ist. Schließlich kam es zu einem Vergleich, bei dem eine höhere Bewertung des Anlagevermögens vereinbart wurde. Die praktische Folge dessen war, dass Ontras für das Jahr 2015 seine Entgelte für alle Transportkunden gleichmäßig erhöhen konnte.

 

Ontras in Zahlen 2006 - 2015

Ontras Zahlen 2006 2015 klein

 

 

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Enormer Unterschied

Die hohen Monopolrenditen – oder, wie es BNA ausdrückt, die gute wirtschaftliche Situation – der Ferngasleitungs-Netzbetreiber fallen umso mehr auf, wenn sie mit den niedrigen Renditen der Betreiber von Strom-Übertragungsnetzen verglichen werden. Sie betreiben überregionale Höchstspannungs-Stromnetze und unterliegen ebenfalls der Anreizregulierung, verdienen aber zumindest nach den nachvollziehbaren handelsrechtlichen Maßstäben deutlich weniger Geld.

So erwirtschaftete der ostdeutsche Übertragungsnetz-Betreiber 50Hertz im Geschäftsjahr 2015 einen Nettogewinn von 71 Mio. Euro. Bei einem Umsatz von 9,19 Milliarden Euro entspricht dies einer mageren Netto-Umsatzrendite von 0,78 %. Die Eigenkapital-Rendite lag bei bescheidenen 4,74 %. Nicht viel anders sieht es bei den anderen drei deutschen Übertragungsnetz-Betreibern Amprion, Tennet und Transnet BW aus. Womöglich sind die Renditen der Übertragungsnetz-Betreiber nicht direkt mit denen der Ferngasleitungs-Netzbetreiber vergleichbar. Jedenfalls ist der Unterschied aber so enorm, dass er zum Nachdenken und zu einer besseren Information der Öffentlichkeit anregen sollte.

 

Nachträge am 01.11.2016:

1. BNA hat inzwischen auf die Frage reagiert, ob es möglich ist, die Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr 2015 der Ontras Gastransport GmbH einzusehen, mit der die erwähnte, von BNA anzuwendende kalkulatorische Eigenkapital-Rendite ermittelt wurde. Diese Frage wird von der Regulierungsbehörde allerdings nicht direkt beantwortet. Stattdessen erläutert sie ausführlich die allgemeine Vorgehensweise, mit der sie die kalkulatorische Eigenkapital-Verzinsung für eine fünfjährige Regulierungsperiode bei den Ferngasleitungs-Netzbetreibern ermittelt.

2. Ontras hat darauf hingewiesen, dass die Umsatzrenditen von Ferngasleitungs-Netzbetreibern nicht direkt mit den Umsatzrenditen von Übertragungsnetz-Betreibern vergleichbar sind, weil der Umsatz letzterer Unternehmen durch hohe Einnahmen aus der Umlage nach dem Erneuerbare Energien Gesetz geprägt sei. Tatsächlich führen die Übertragungsnetz-Betreiber diese EEG-Umlage ebenso wie verschiedene andere Umlagen wieder vollständig ab. Daher haben sie keinen Einfluss auf den Gewinn und sollten bei Renditebetrachtungen nicht berücksichtigt werden.

Wird der Umsatz des Geschäftsjahres 2015 von 50Hertz nun um diese Umlagen bereinigt, sinkt er drastisch von 9,19 Mrd. Euro auf nur noch 835 Mio. Euro. Dennoch bleibt die so ermittelte Umsatzrendite von neun Prozent immer noch deutlich unter den Werten der profitableren FNB. Allerdings ergibt sich beim Blick auf das Geschäftsjahr 2014 von 50Hertz ein anderes Bild: Hier erreichte die bereinigte Umsatzrendite 48 % und damit einen vergleichbar hohen Wert wie bei den FNB. Auf die bescheidene Eigenkapital-Rendite von 50 Hertz hat die bereinigte Umsatzbetrachtung dagegen keinen Einfluss.

 

Nachtrag am 03.01.2017:

Inzwischen haben auch Fluxys, Gasunie, Jordgas und Thyssengas ihre Geschäftsberichte für das Jahr 2015 vorgelegt. Daraus ergibt sich die folgende vollständige Übersicht über die Renditen der Ferngasleitungs-Netzbetreiber.

 

FNB Gewinne 2015 alle weich 2