Der schwedische Energiekonzern will seine Braunkohle-Tagebaue und -Kraftwerke in Ostdeutschland verkaufen. Eine Umweltorganisation listet nun eine ganze Reihe von politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Risiken auf, mit denen sich ein möglicher Käufer auseinandersetzen muss.


Der Käufer des ostdeutschen Braunkohlegeschäfts von Vattenfall muss mit einem hohen Risiko für seine Investition rechnen. Zu dieser Einschätzung kommt die europäische Umweltorganisation E3G Third Generation Environmentalism (Deutsch: Umweltbewegung der Dritten Generation) in einer Studie, die sie für die deutsche Klima-Allianz erstellt hat – einen Zusammenschluss von mehr als 100 deutschen Klimaschutz-Organisationen. Die Studie „Vattenfalls Braunkohlegeschäft – eine riskante Wette für Investoren“ liegt bisher nur in einer englischen Version vor, wird aber derzeit ins Deutsche übersetzt.

Die Autoren sehen ein Zusammenwirken von politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Risiken, das die künftige Wirtschaftlichkeit des deutschen Braunkohlesektors in Frage stellt. So halten sie es für wahrscheinlich, dass die deutsche Bundesregierung schon vor dem Jahr 2020 weitere Regulierungsmaßnahmen für die Braunkohle ergreift. Die „Sicherheitsbereitschaft“ für acht Braunkohle-Kraftwerksblöcke, auf die sich die Großkraftwerks-Betreiber zuletzt mit dem Bundes-Wirtschaftsministerium geeinigt hatten, könnte noch von der Europäischen Kommission gekippt werden. Sollte Braunkohle zum Thema im Bundestags-Wahlkampf 2017 werden, wäre es möglich, dass die Sicherheitsbereitschaft 2018 aufgrund einer Revisionsklausel noch einmal neu diskutiert wird. Nach 2020 rechnet die Studie mit weiteren Aktionen des Gesetzgebers, den Bestand von Braunkohle-Kraftwerken zu reduzieren, damit Deutschland seine langfristigen Klimaschutz-Ziele erreichen kann.

 

Steigende Kohlendioxid-Preise

Wirtschaftliche Risiken für Braunkohle-Kraftwerke gibt es den Autoren zufolge durch niedrige Preise im Strom-Großhandel, die in der Grundlast bereits unter 30 Euro je Megawattstunde liegen. Ein Überangebot an Erdgas, Kraftwerks-Überkapazitäten und das weitere Wachstum erneuerbarer Energien machen es unwahrscheinlich, dass der Strompreis in absehbarer Zeit wieder steigt. Gleichzeitig kann die Reform des Europäischen Emissionshandels-Systems dazu führen, dass die Preise für ausgestoßenes Kohlendioxid schon bis 2020 auf bis zu 20 Euro je Tonne oder darüber steigen. Derzeit liegt dieser Preis bei 8,50 Euro. Braunkohle-Kraftwerke stoßen deutlich mehr CO2 je Kilowattstunde Stromproduktion aus als Steinkohle- und Gaskraftwerke und sind daher von höheren CO2-Preisen besonders betroffen.

Weitere wirtschaftliche Belastungen für Vattenfalls Braunkohle-Kraftwerke könnten mit einer neuen Schadstoff-Richtlinie der Europäischen Union verbunden sein, die derzeit vorbereitet wird und voraussichtlich 2021 in Kraft treten kann. Sie sieht niedrigere Grenzwerte für den Ausstoß von Schwefeldioxid, Stickoxiden, Feinstaub und Quecksilber vor. Die Studienautoren rechnen damit, dass daher die Vattenfall-Kraftwerke mit Filtertechnik für eine dreistellige Millionen-Euro-Summe nachgerüstet werden müssen.

 

Rekultivierung knapp kalkuliert

Der künftige Käufer von Vattenfalls Braunkohlegeschäft wird auch dafür verantwortlich sein, die derzeit 23.000 Hektar großen Tagebauflächen zu rekultivieren. Der schwedische Energiekonzern hat dafür in seiner Bilanz bisher Rückstellungen von 1,1 Milliarden Euro gebildet. Es gibt allerdings bereits Hinweise darauf, dass diese Summe möglicherweise nicht für eine vollständige Rekultivierung ausreichen wird. Zum Vergleich verweist die Studie auf die Rekultivierungskosten von 12,9 Mrd. Euro, die von 1992 bis 2017 für die Rekultivierung von 120.000 ha Tagebauflächen aus DDR-Zeiten angefallen sein werden. Die Rekultivierungskosten je Hektar lagen hier mehr als doppelt so hoch wie die bisher von Vattenfall berücksichtigten Kosten. Sollte die bisher zurückgestellte Summe nicht für die Rekultivierung ausreichen, müsste der neue Eigentümer für die Differenz aufkommen.

Rechtliche Risiken für einen möglichen Käufer von Vattenfalls Braunkohlegeschäft sind damit verbunden, dass gegen dieses Geschäft bereits mehrere Gerichtsverfahren laufen oder wahrscheinlich noch eröffnet werden. Ihren Ausgang bewerten die Studienautoren im besten Fall als ungewiss und in jedem Fall verbunden mit Verwaltungs- und Gerichtskosten sowie Betriebsverzögerungen. Beispielsweise werden die Braunkohlenpläne für die neuen Tagebaue Welzow-Süd-II und Nochten-2 von Umweltschützern und Anwohnern angefochten, so dass die Entwicklung dieser Tagebaue noch gestoppt werden könnte.

 

Braunkohle-Exporte und Wasserverschmutzung

Rechtsstreits könnten nach Meinung der Autoren auch durch Braunkohle-Exporte ausgelöst werden, wie sie der ostdeutsche Braunkohleförderer Mibrag derzeit praktiziert. Mibrag ist ein Tochterunternehmen des tschechischen Energie- und Industriekonzerns EPH Energetický a průmyslový Holding, der zu den Bietern für Vattenfalls Braunkohlegeschäft gehört. Umstritten ist auch die Verschmutzung des Flusses Spree mit Eisenocker und Sulfat sowie die Grundwasser-Belastung mit Sulfat, die Umweltschützer auf Vattenfall-Tagebaue zurückführen. Während die Regierungen von Brandenburg und Sachsen dies tolerieren, fordert der Berliner Senat, dieses Problem zu lösen.

Der staatliche schwedische Energiekonzern Vattenfall will sein deutsches Braunkohlegeschäft verkaufen, um seine CO2-Bilanz zu verbessern. Dazu gehören Großkraftwerke in Boxberg, Jänschwalde, Lippendorf und Schwarze Pumpe in Brandenburg und Sachsen sowie mehrere Tagebaue, die diese Kraftwerke mit Braunkohle beliefern. Hinzu kommen zehn Wasserkraftwerke in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

 

Angebote

Bisher ist bekannt, dass der deutsche Kraftwerksbetreiber Steag sowie die tschechischen Unternehmen EPH, ČEZ und Czech Coal dafür Angebote abgegeben haben. Vattenfall will den Verkaufsprozess bis Mitte 2016 abschließen. Ein Angebot von Greenpeace Nordic, dem zufolge das Braunkohlegeschäft in eine Sanierungsstiftung überführt werden sollte, hat der Konzern bereits abgelehnt. Greenpeace hatte den Wert der angebotenen Tagebaue und Kraftwerke mit 468 Mio. Euro beziffert und die notwendigen Sanierungskosten mit 2 Mrd. Euro veranschlagt, so dass ein negativer Gesamtwert herauskam. Dagegen soll ein Analyst der Landesbank Baden-Württemberg das angebotene Paket mit 2 – 3 Mrd. Euro bewertet haben.


Vernetzen